Wir kaufen Bio-Eier, weil wir uns informiert haben und den Gedanken an eingepferchte Hühner in Käfigen nicht mehr ertragen. Manche von uns schaffen es sogar, noch einen Schritt konsequenter zu leben und kaufen gar keine Eier, leben vegan. Längst wissen wir, wie es auf Farmen und Schlachthöfen aussieht, die Fastfoodketten und namhafte deutsche Fleischproduzenten beliefern. Und falls nicht, wird uns eines Tages das ein oder andere Bild, Video oder der ein oder andere Artikel im Netz über den Weg laufen. Vielleicht kaufen wir uns auch ein Buch und beschließen dann eine Weile oder für immer kein Fleisch mehr zu essen, wenn nicht schon längst geschehen. Vielleicht macht es uns auch nicht so viel aus, weil wir keinen Bezug zwischen unserer Nahrung und Tieren herstellen um uns vor unserem Gewissen zu schützen, oder weil uns Tiere (zumindest im ein oder anderen Moment) dann doch irgendwie auch ein bisschen egal sind. Bei Lebensmitteln die von Menschen produziert werden helfen uns mittlerweile diverse Siegel bei der Erkennung ob es sich z.B. um fair gehandelte Ware handelt. Dokumentationsfilme und Bücher öffnen uns die Augen über die Produktion unserer Lebensmittel.

Geht es um Kleidung, sind wir mittlerweile auch recht gut informiert und jedes mal, wenn wir an einer der zahlreichen Filialen eines schwedischen Modehauses vorbeigehen fallen uns nicht mehr nur Magermodels ein, sondern wir erinnern uns auch an den ein oder anderen Artikel über zusammenbrechende Arbeiterinnen in Kambodscha. Wir wissen auch, dass diese Arbeiterinnen von ihren Hungerlöhnen kaum leben können und oftmals ganze Familien ernähren müssen. Oder falls wir auch das noch nicht so genau wissen, finden sich auch hierzu immer mehr Informationen, Kampagnen und Labels im Netz. Doch an dieser Stelle fällt es uns schon schwerer sich eine Einkaufs- und Lebensstrategie zu schaffen um menschenverachtende Produktionsprozesse nicht zu unterstützen. Nach Siegeln sucht man bei der Shoppingtour in der Innenstadt auch meist vergebens.

Doch wir haben das im Griff, wir sind ja informiert oder werden es, denn mittlerweile ist der Internetzugang vom Smartphone aus auch unterwegs immer dabei. Mühelos lässt sich da kurz das ein oder andere nachschlagen, warum nicht auch, bei welcher Marke man neuerdings ohne schlechtes Gewissen einkaufen kann? Dank unserem neuen Ebook-Reader können wir nun auch im strahlenden Sonnenschein mehrere Bücher darüber lesen, warum es gar nicht mal so gut und klug ist Tiere zu essen, ohne uns an den Büchern halbtot zu tragen. Wir können uns beim Kaffee in der Mittagspause mit unserer täglichen Portion feministischen News auf unserem Tablet versorgen und vielleicht sogar selbst mit dem Notebook den ein oder anderen Blogpost verfassen. Die Musikempfehlungen aus der letzten Missy haben wir uns auch schon mal auf auf unseren MP3-Player geladen. Ein Gefühl von Freiheit überkommt uns, wir haben die Wahl, gehören dazu und können teilhaben an allem, wenn wir nur wollen und nicht vergessen haben den Akku aufzuladen. Schauen wir uns unser neuestes, teuer erworbenes Gadget an, dann stellen wir uns zu aller letzt die Frage, woher dieses wohl stammt und unter welchen Bedingungen es produziert wurde. „Designed by Apple in California Assembled in China“ steht auf meinem blank polierten iPhone. Hey, auch da war doch irgendwas…. irgendwas habe ich darüber schon mal gelesen! Ach ja genau: „Schätzungsweise 90 Prozent der FabrikarbeiterInnen in der chinesischen Elektronikindustrie, wo ein Viertel der heute weltweit verkauften Computer hergestellt werden, sind Frauen.“ schreibt Chris vor fast genau einem Jahr hier im Missy-Blog und weist auf Arbeitsbedingungen und Kampagnen hin. Die damalige Forderung nach einer Diskussion über eine mögliche feministische Kampagne wird lediglich durch „aber die Männer“-Schreie enttäuschter Kommentare beantwortet. Angesichts diverser Ereignisse und der steigenden Anzahl von produzierten Devices (eine Auswahl oben) in der IT-Branche ist es höchste Zeit, dieses Thema erneut anzusprechen. Ja, dieses Thema ist auch ein feministisches und nein, das heißt nicht, dass uns die Arbeiter in Kongos Minen deshalb am Arsch vorbei gehen müssen. Um ein paar konkrete Anregungen zu geben, wo mensch sich weiter informieren kann, damit so eine Diskussion stattfinden kann, habe ich das Thema in den letzten Wochen noch etwas intensiver verfolgt. Ergänzungen sind natürlich gerne willkommen.

In der vorletzten c’t (20/2011) erschien ein Artikel zur globalisierten Herstellung von Computerhardware. Dort wurde mehr oder weniger erfolgreich versucht den Herkunftsort und den Produktionsort diverser Hardwarebausteine zu ermitteln. Keine einfache Sache, denn oft sind die Bausteine so klein, dass sich dort keine Identifikationsmöglichkeit mehr unterbringen lässt. Noch dazu ist es wichtig zu wissen, dass die einzelnen Komponenten nicht alle am selben Ort oder gar im selben Land gefertigt werden. Außerdem werden sie für verschiedene Produktionsschritte immer wieder weiter gereicht. Die Auftragsfertigung ist insgesamt alles andere als überschaubar und wird von den namhaften Herstellern, die wir alle kennen, auch teilweise absichtlich geheim gehalten. Somit werden auch Arbeitsbedingungen schwer überprüfbar und was so zu uns an die Oberfläche schwappt, lässt nicht viel Gutes erahnen. Der Name Foxconn erreichte seine Berühmtheit leider nicht durch die tollen Einzelteile unserer geliebten Apple-Produkte und Spielekonsolen, sondern durch zahlreiche Selbstmordfälle aufgrund unzumutbarer Arbeitsbedingungen, Arbeitsunfälle und zuletzt durch einen Brand auf dem Produktionsgelände. Bei den letzten beiden Ereignissen lässt sich sogar teilweise in Diskussionen im Netz erkennen, dass sich Menschen eher Sorgen um die Produktion der iPads machen, als um die Menschen in den Fabriken.

Um auf die Zustände in der Hardwareproduktion und unseren Umgang mit diesen Produkten aufmerksam zu machen, hat Molleindustria kürzlich eine iPhone-App namens Phone Story veröffentlicht, welche uns vom Abbau von Coltan in den Minen Kongos, über die Situation bei den Zulieferern in China zu unserem Nutzungsverhalten und zur Entsorgungsproblematik führt. Apple hat die App kurze Zeit später aus dem App-Store verbannt. Sie ist nun nur noch im Android-Store und für iPhones mit Jailbreak verfügbar.

Sich konkreter über die einzelnen Produktionsprozesse und damit verbundenen Nachteile für Menschen in verschiedenen Ländern zu informieren ist schwierig und deprimierend, aber notwendig um die Auswirkungen unseres Konsums zu überblicken. Im August 2010 wurde ein Film über Arbeitsmigrant_innen in der malaysischen Elektronikindustrie gedreht. Zu sehen auf YouTube. „Weltweit werden derzeit pro Sekunde 7 Computer produziert, aber nur 4 Menschen geboren.“ Der Dokumentarfilm BEHIND THE SCREEN – Das Leben meines Computers thematisiert ebenfalls die Auswirkungen unserer Handlungen beim Kauf von Hardware. Ich habe diesen leider selbst noch nicht gesehen. Den Trailer gibt es hier: BEHIND THE SCREEN – Trailer (deutsch) from Stefan Baumgartner on Vimeo. Was unsere Mobiltelefone mit der Finanzierung des Bürgerkriegs im Kongo zu tun haben, wurde für die Dokumentation „Blood in the Mobile“ recherchiert. Eine Übersicht findet sich bei dasErste wo gestern bei titel thesen temperamente darüber berichtet wurde, den Trailer gibt es hier auf YouTube.

In diesem Sinne: Lasst uns beginnen darüber nachzudenken und zu diskutieren, welchen Preis wir tatsächlich für unsere schönen Gerätschaften zahlen. Bzw. wer mitbezahlt.