Leben im Netz
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Als der Begriff Web 2.0 zum ersten Mal bei mir ankam war ich zunächst unbeeindruckt und sah keine größere Bedeutung für mein eigenes Verhalten. Anschließend war ich sowohl von den Social Networks, als auch der Blogosphäre für einige Zeit überfordert. Es war, als würde mich ein unaufhaltsamer Informationsstrom davon spülen und ich sah kaum Möglichkeiten der Beteiligung ohne unendlich viel Zeit zu investieren und den Überblick komplett zu verlieren. Ich stand Social Networks von Anfang an kritisch und vorsichtig gegenüber und es ist, als würden sich regelmäßig zwei Meinungen in meinem Kopf darum streiten, ob ich mich nicht besser bei diversen Seiten löschen sollte und den Quatsch gar nicht erst mitmachen. Schon davor bewegte ich mich regelmäßig in Communities, hatte liebevoll gepflegte Webseiten und kommunizierte mit Menschen die ich entweder „wirklich“ kannte, oder eben nur virtuell. Ich habe winzige Spuren hinterlassen im Netz und bin meinem jugendlichen Ich heute sehr dankbar, dass es nicht noch mehr waren (und meinem Gedächtnis, dass ich mich besser spät als nie an diverse Passwörter erinnerte). Auch bin ich mir dankbar, dass ich damals weder meinen vollen Namen noch meine Telefonnummer so großzügig wie andere Mädels im jugendlichen Alter verteilte. In letzter Zeit überkommt mich immer ein bisschen Mitleid, wenn ich sehr junge Menschen in Social Networks beobachte.
Schon mit 12 wurde ich im Chat von Leuten, die sich ganz offen als ältere Männer ausgaben, auf eine extreme Art und Weise angebaggert. Ein weiblicher Nickname mit entsprechendem Geburtsjahr genügte um massenhaft grenzüberschreitende Nachrichten zu erhalten. Heute gibt es ganze TV-Formate („Tatort Internet“) darüber, wo solche Menschen als „Sextäter“ vorgeführt werden. Ich kann mich auch noch gut daran erinnern, wie ich mal einem Gleichaltrigen die Nummer meines aller ersten Handys gab, damit wir per SMS kommunizieren können und dann total geschockt war, als er von da an ständig anrief. Nach solchen Schlüsselerlebnissen blieb ich lieber bei der Anonymität und war sehr zufrieden damit selbst zu entscheiden, wann Menschen mehr von mir und meinem Leben erfahren und das ganze „im Griff“ zu haben. Irgendwann wurde ich dann erwachsen und das Web alterte mit mir.
Mittlerweile bin ich in einigen sozialen Netzwerken aktiv und führe momentan mein Blog unter meinem Namen. Da in Deutschland zu einem Blog auch ein Impressum gehören muss (auch wenn man sich da etwas uneinig ist ab wann und für wen und was das gilt) bin ich fast schon gezwungen das so zu handhaben. Besonders weil es kein Zurück mehr gibt, wenn der eigene Name plötzlich unfreiwillig auftaucht. Davor war ich lange Zeit stolz darauf, dass man mich bei Google und Co. nicht finden konnte. Seit ich auf Twitter bin, gebe ich auch öfter Informationsfetzen raus, die vielleicht niemanden etwas angehen und in meinem Kopf streiten sich dann wieder zwei darüber ob das jetzt wirklich sein musste. Vor allem, weil mich plötzlich die Schattenseiten einholen: Personen zu denen aus guten Gründen der Kontakt vor längerer Zeit abgebrochen wurde schreiben plötzlich Emails, wollen Freunde bei Facebook werden, fügen eine zu Google+ Kreisen hinzu und verfolgen eine bei Twitter. Verfolgen bekommt dann plötzlich einen negativen Beigeschmack. Aber vielleicht hat das auch was Gutes, denn es erinnert daran, darüber nachzudenken was es denn wirklich bedeutet, wenn das jetzt wirklich ALLE lesen können.
Wie geht ihr damit um? Post-Privacy oder Pseudonym? Datensparsamkeit oder scheiß egal? Freundesgruppen oder Social Network Abstinenz?