Der Oktober neigt sich bereits dem Ende zu und wie man es vielleicht von meinem Blog gewohnt ist, erschienen auch hier viel weniger Artikel als ich eigentlich hätte schreiben wollen. Das liegt nicht daran, dass ich plötzlich leer und ohne Gedanken und Ideen bin, sondern vor allem an chronischem Zeitmangel. Während ich durch den Alltag von Termin zu Termin hetze, brodeln Gedanken in mir und ein paar davon möchte ich heute noch festhalten.

Diese Woche erschien ein sehr lesenswerter Artikel von Julia Seeliger zum Thema Netzfeminismus. In diesem beschreibt sie zunächst ihren eigenen Feminismus, dessen Ursprung und Entwicklung anhand ihres Werdegangs. Weiterhin geht sie auf feministische Themen ein, ihre persönliche Meinung dazu und wie diese sich im laufe der Zeit entwickelt hat. Im letzten Abschnitt erklärt sie schließlich, was ihrer Meinung nach Netzfeminismus sein sollte und spricht in diesem kurzen Abschnitt Themen an die bisher für manche vielleicht nicht unbedingt direkt mit Netzfeminismus gemeint waren. Anlass für diesen Artikel war vermutlich die Seite netzfeminismus.org, die im September von Teilnehmer_innen der diesjährigen re:publica (Konferenz von und für Bloggende) ins Leben gerufen wurde um eine Plattform für netzfeministische Themen zu schaffen. Bisher veranstaltet netzfeminismus.org das Netzfeministische Biertrinken Berlin und erstellt gerade eine Liste von Sprecherinnen um auf den Frauenmangel auf Konferenzen deren Podien zu reagieren.
Ich verfolge alles was mit dem Thema Netzfeminismus zu tun hat schon eine ganze Weile, außerdem interessiere ich mich stark für Netzpolitik und verfolge auch dort verschiedene Themen schon mindestens genauso lange. Katrin Rönicke hat es sich diese Woche zur Aufgabe gemacht ein paar Links zum deutschsprachigen Netzfeminismus zu sammeln, beginnend bei der re:publica 2009 wo für sie die Vernetzung begann. Der Wunsch nach Vernetzung, die produktive Nutzung des Internets und die Sichtbarkeit weiblicher, feministischer und queerer Inhalte scheinen bisher die dringendste Anliegen des Netzfeminismus zu sein.

Dinge (Probleme) die mir zum netzfeministischen Aktivismus wie er momentan aussieht einfallen:

1. Mitmachen
Bisher ergaben sich Venetzungsideen wie netzfeminismus.org oder auch frauenim.net meistens aus Barcamps wo sich Interessierte trafen und merkten, dass es doch cool wäre eine gemeinsame Plattform für weiteren Austausch zu haben. Aus meiner Position heraus muss ich leider bemängeln, dass diese Treffen bisher ausnahmslos alle an für mich regional, finanziell und zeitlich gesehen unerreichbaren Orten stattfanden und ich somit bisher noch nie die Chance hatte ein solches Real-Life Treffen mit zu erleben und mit zu gestalten. Dadurch erfahre ich von entsprechenden Ideen ausschließlich über’s Netz und komme mir komischerweise obwohl es doch um NETZfeminismus geht regelmäßig ausgeschlossen vor und nehme meine Beteiligungsmöglichkeiten als sehr sehr beschränkt wahr. Früher war da eine Sehnsucht nach den Orten wo alle diese tollen Sachen stattfinden, heute frage ich mich immer öfter wie es eigentlich bei anderen aussieht, die ebenfalls nicht in Berlin wohnen. Wie die sich z.B. Konferenzteilnahmen zeitlich und finanziell leisten können. Während ich diesen Absatz schreibe, habe ich übrigens mental schon den Kommentar „dann organisier doch was in deiner Nähe“ im Auge, den man sich an dieser Stelle daher sparen kann. Ich danke aber trotzdem schon mal der Mädchenmannschaft für ihre neue Idee.

Wo ich hingegen einen Vorteil habe: ich weiß wie das Internet technisch funktioniert und es ist für mich eine Leichtigkeit mich auf neuen Plattformen zurechtzufinden. Julia Seeliger sagt Netzfeminismus muss gut im Netz sein und ich bin zumindest was das Verständnis von Zusammenhängen angeht verdammt gut im Netz. Doch auch das ist keine Selbstverständlichkeit und ich sehe auch da eine ganz ganz große Barriere für die Teilnahme am netzfeministischen Geschehen.

2. Netzpolitik
Auch um sich für Netzpolitik zu interessieren und entsprechend zu engagieren reicht es meiner Meinung nach nicht ganz aus einen Facebook- oder Twitter-Account zu haben und zu wissen wie man Emails schreibt. Gerade wenn ich mir mal die Medienberichterstattung zum Bundestrojaner, zur Vorratsdatenspeicherung, zur Netzneutralität, zu Netzsperren.. anschaue merke ich, dass ich keine Mühe habe sämtliche Dinge zu verstehen, es bei Freund_innen oder in der Familie aber schon wieder ganz anders aussieht. Ich studiere aber auch seit über zwei Jahren Informatik, habe bei einem Telekommunikationsunternehmen gearbeitet und bin schon über zehn Jahre im Internet unterwegs. Wäre die Letzte die von anderen verlangt, aus dem Nichts heraus den vollkommenen Durchblick zu haben. Netzfeminismus muss aber auch Netzpolitik können. Sonst wird als netzfeministisches Statement, wie auch bereits von Julia angemerkt, ein „aber die Kinder!!11“ von Ursula von der Leyen in der Öffentlichkeit hängen bleiben und das halte ich für falsch. Für mich eine ganz schreckliche Vorstellung. Aber es ist ohne den entsprechenden netzpolitischen Hintergrund auch nicht so einfach nachzuvollziehen, warum das nun so falsch sein sollte. Es besteht sicher noch immer viel Gesprächsbedarf zu diesem Thema.

3. Abgebrühtheit und Begriffe wie „rechtsfreier Raum“
Bereits meine ersten zaghaften Kontakte mit dem Internet hatten, wie im letzten Artikel beschrieben mit Sexismus, virtueller Übergriffigkeit und unfreiwilligem Kontakt zu Pädophilen zu tun. Auch Pornographie und Gewaltdarstellungen sind mir bereits in jungen Jahren häufig begegnet, ebenso Trollerei und (anonyme) Anfeindung. Leute die schon ewig im Netz zu Hause sind, sind teilweise so abgebrüht, dass sie es nicht mehr verstehen können, wenn Menschen sich ernsthaft bedroht, verunsichert und belästigt fühlen. Menschen ohne Netzkompetenz hingegen setzen sich gerne mal in Talkshows und machen das Internet für alles verantwortlich, was sie als menschliche Abgründe empfinden. Es gibt gerade diesen Themen sicher keine netzfeministische Einheitsmeinung. Vielmehr prallen gerade hier Feminismus und Netzpolitik aufeinander.

4. Verständlichkeit
Thematiken die extrem technisch sind, sind für viele schwer zu verstehen. Ebenso schwer ist es oft, Menschen zu verstehen die sich seit Jahren oder Jahrzehnten oft im akademischen Umfeld mit Feminismus, Gender, Soziologie, Politik usw. beschäftigen. Netzfeminismus läuft somit Gefahr, Menschen ungewollt gleich doppelt auszuschließen.

Für mich selbst kann ich nur noch mal betonen, dass ich viel zu sagen, zu schreiben, zu überlegen und zu diskutieren habe. Daher hoffe ich schwer, meine Teilnahme wird nicht jedes Mal abhängig von meinem Kontostand oder Wohnort sein. Ich möchte, dass auch andere Menschen teilnehmen können und wo immer es geht helfen zu vernetzen und zu vermitteln.