K wie „Kein Kino“
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Wozu noch ins Kino gehen, wenn es doch Fernsehserien gibt? Fragt sich der Labelbetreiber und Kettcar-Frontmann, wenn er mal wieder müde von einem langen Elterntag aufs Sofa sinkt.
Eines der gängigsten Klischees, die mit Elternglück assoziiert werden, ist neben Schlafmangel und der Abwesenheit von Sex, dass junge Eltern nicht mehr ausgehen. Und machen wir uns nichts vor: Das stimmt. Junge Eltern gehen nicht mehr oft aus. Keine ausgedehnten Kneipenbesuche, keine rauschenden Partys, keine Ausstellungseröffnungen und eben auch kein Kino.
„… und Schatz, wie fand’st du den Film?“ – „Keine Ahnung, ich bin eingeschlafen.“ – „Du auch?“ Gemütliche Kinosessel treffen auf latenten Schlafmangel und schon wird aus dem Film, den man „unbedingt sehen wollte“, ein nur halbgemütlicher Abend, nach dem sich beide wie gerädert fühlen. Was aber tun, wenn uns in den Abendstunden – nachdem alle Windeln gewechselt und alle Schlaflieder gesungen sind – trotzdem nach ein wenig kulturellem Kurzweil verlangt? Die Antwort: TV-Serien im DVD-Box-Format.
Ohne dass ich es durch Statistiken unterfüttern könnte, vermute ich, dass junge Eltern die Zielgruppe schlechthin für den boomenden Serienmarkt sind – denn Serien sind wie gemacht für die Abendunterhaltung des jungen Elternglücks.
Hier die Gründe: 1) Serien sind gut portioniert. 20:00 Uhr. Die Kinder sind im Bett. Beide Eltern sind müde und ausgelaugt. Je nach Grad der Aufnahmebereitschaft kann man sich jetzt entscheiden, ob man noch eine anspruchsvolle Folge „The Wire“ (45 Minuten) oder eine leichte Folge von „How I Met Your Mother“ (22 Minuten) schaut. Das heißt aber nicht, dass man am nächsten Tag ausgeschlafen ist. Oft erlebt man als Nächstes um 2 Uhr morgens folgenden Dialog: „Eine Folge schauen wir noch?“ – „Okay, eine noch.“
2) Denn: Die Qualität mancher TV-Serie ist atemberaubend. Vor zehn Jahren noch hätte sich niemand träumen lassen, dass die dumme Berieselungsmaschine namens Fernsehen zu so etwas imstande ist. Wer kann noch guten Gewissens behaupten, dass Fernsehen dumm mache, wenn es so etwas wie „The Wire“, „The Sopranos“ oder „Mad Men“ hervorbringt? TV-Serien heute, das heißt: spektakuläres Setdesign („Mad Men“), innovative Erzählform („24“) und eine nie zuvor dagewesene Komplexität im Handlungsaufbau („Lost“ und viele andere Serien). Deswegen kann man mit Fug und Recht behaupten:
3) TV-Serien sind cool und haben damit noch einen ganz anderen Vorteil. Sollte es einen oder gar beide Teile des Elternpaars entgegen aller Wahrscheinlichkeit doch mal auf eine Party verschlagen, kann man darauf wetten, dass früher oder später das Thema darauf kommt, auf welchen Konzerten man war, welche Bücher man gelesen oder eben: welche Serie man gerade gesehen hat. Und, oh ja, da können wir mitreden – trotz Kindern. Aber das ist alles nicht entscheidend. Entscheidend ist:
4) Man muss das Haus nicht verlassen.
Text: Marcus Wiebusch