Team Musik: Lady Gaga – Der erste queere Popstar oder der Inbegriff des Sexismus?
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„Ich will ja nicht überheblich klingen, aber ich habe es zu meinem Ziel gemacht, die Popmusik zu revolutionieren.“
Lady Gaga, die US-amerikanische Popsängerin und Songwriterin, ist omnipräsent. Seit ihren ersten beiden Singleauskopplungen „Just Dance“ und „Pokerface“ im Jahr 2008 vergeht kaum ein Tag, an dem einem nicht ein Song im Radio oder ein neues Gerücht im Fernsehen begegnet. Aber die Künstlerin wird nicht nur mit ihrem andauernden und alle Rekorde brechenden Erfolg und den tanzbaren Diskosongs verbunden, sondern vor allem mit ihrem exzentrischen Auftreten und den provokativen Kostümen. Sie reichen von einem Kleid aus Seifenblasen über ein rotes Zorrokostüm bis zu einem Outfit aus rohem Fleisch. Die Person Stefani Germanotta scheint komplett hinter den sich ständig wandelnden Selbstinszenierungen der Künstlerin Lady Gaga zu verschwinden.
Auch Lady Gagas Musikvideos sind stets provokativ und fast durchgehend von nackter Haut und Sex geprägt, sodass häufig ein Vergleich zu den frühen Madonna-Inszenierungen gezogen wird. Gaga selbst sagte im Rolling Stone: „Ich glaube, ich verändere die Vorstellung der Menschen dahingehend, was sexy ist.“
Die Frage, die sich nun stellt ist: Bedient Lady Gaga durch ihre erotische Selbstdarstellung nur das Stereotyp, dass von Künstlerinnen im Gegensatz zu ihren männlichen Pendants fordert, auffällige Bühnenoutfits zu tragen und sich als Sexy Popstar zu inszenieren? Oder subvertiert sie geltende Vorstellungen von Weiblichkeit? Lassen sich ihre Musikvideos nur als sexistisch lesen oder steckt mehr dahinter?
Auf den ersten Blick scheint sich Lady Gaga von anderen Musikerinnen wie Rihanna oder Britney Spears zu unterscheiden. Ihre Inszenierungen zielen weniger darauf ab sich als begehrenswertes, weibliches Sexobjekt zu präsentieren. Eher karikieren sie vorherrschende Schönheitsideale – so zum Beispiel in der Aufnahme, in der auf ihren Brüsten Raketen explodieren. Ihre Erscheinung ist oft androgyn, ironisch und hypersexuell. Das zeitweise kursierende Gerücht, sie habe einen Penis, förderte sie selbst, indem Bilder von ihr veröffentlicht wurden, in denen ihr Geschlecht verpixelt war. In Musikvideos erscheint sie oft übersinnlich als Meerjungfrau oder roboterhaft, sodass man sich als Zuschauer_in in einen Science-Fiction-Film oder Manga versetzt fühlt. Sie bricht jegliche Tabus, was Nacktheit angeht und eine gewisse Doppeldeutigkeit scheint mit ihrer Kunstfigur immer einher zu gehen.
Zählt Lady Gaga also zum sogenannten „aufgeklärten Sexismus“ oder bedient sie doch nur den Mainstream, indem sie sich als sexy Popstar zwischen weiblicher (sexueller) Freiheit und homosexueller sowie feministischer Doppeldeutigkeit bewegt? Ist das androgyne Auftreten nicht nur eine strategische Selbstvermarktung ihres Körpers, die aufzugehen scheint, wenn man ihren Erfolg in der der Schwulen- und Lesbenszene berücksichtigt?
Die englische Feministin Natasha Walters ist der Meinung, dass Musikerinnen wie Gaga oder Rihanna weiterhin den „semi-pornographischen Look“ bräuchten, um die Aufmerksamkeit der Medien zu bekommen. „Empowerments“ oder künstlerische Selbstbefreiung seien nur rechtfertigende Totschlagargumente, um Kritiker_innen als prüde abzustempeln und sexistische Selbstdarstellung leugnen zu können. Walters selbst behauptet in ihrem Buch Living Dolls, dass der Sexismus heute so stark sei wie selten zuvor. Allerdings mit dem Unterschied, dass Frauen ihn nun selbst stützen würden. Auch diese Position ist durchaus nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass mehr über Lady Gagas Outfits als über ihre Musik gesprochen wird.
Die Musikerin sagt selbst: „Mode und Kunst verschmelzen in meinem Körper. Ich mache Performances, nicht einfach nur Musik.“ Zumindest dies wird man ihr zugestehen können. Offen bleibt allerdings die Frage, ob Lady Gagas Erfolg tatsächlich eine Revolution der Popmusik darstellt, die auf einer provokativen, karikativen und teils androgynen Selbstdarstellung beruht oder ob die dauerhafte Sexualisierung der Solokünstlerin nicht doch einfach nur sexistische und strategische Vermarktung ist.
Text: Muriel Franziska Schiller