Er trägt einen Rock aus blau-weißen Fußballschals. Auf seinem ebenfalls blau-weißen T-Shirt steht: „Das Leben ist zu kurz für zwei Vereine!“ Zwei Vereine – das sind der SV Babelsberg 03 und Turbine Potsdam, die sich das Karl-Liebknecht-Stadion in Potsdam teilen. Der eine Verein dümpelt bei den Männern in der Regionalliga herum, der andere führt die Bundesliga der Frauen an. Es sind die Damen, deren Farben Blau und Weiß sind und heute ein Spitzenspiel gegen den FCR 2001 Duisburg vor sich haben.

Gleich ist Anpfiff hier im „Karli“ in Potsdam. Im Gegensatz zu den alt eingesessenen Fans von Turbine habe ich kein Sitzkissen dabei, lege mir die Plastikschale dafür mit Zeitungen aus. Denn es ist ordentlich kalt an diesem grauen Sonntagnachmittag. Trotzdem sind 2560 ZuschauerInnen im Stadion – sogar Fans aus Duisburg sind angereist. Immerhin spielt der Erst- gegen den Zweitplatzierten. Da könnte sich einiges entscheiden. Deshalb ist auch Silvia Neid angereist. Davon konnte ich mich vorm Stadion selbst überzeugen. Aber ich musste zweimal schauen, denn während Joachim Löw im Mercedes reist, kommt die Bundestrainerin der Frauen im Toyota Corolla angegurkt. Das sind die Größenverhältnisse – an denen hat auch die Fußball-WM der Frauen in diesem Sommer nichts geändert.

Im Sommer war es ganz schick, mal bei einem Spiel dabei gewesen zu sein. Viele wollten einfach mal sehen, was die Frauen da unten auf dem Feld zu bieten haben. Wenn dann bei einem Spiel nicht hintereinander die Tore für Deutschland fielen, war die Stimmung aber schnell verpufft. Die ZuschauerInnen im „Karli“ machen dagegen die ganzen 90 Minuten lang ordentlich Alarm. Meine Sitznachbarn – es sind wirklich nur Männer – kommentieren für mich das Spiel von vorne bis hinten. Es geht los mit einer Überraschung: „Oh, Yuki is’ och wieder dabei. Jut!“ Yuki Nagasato ist in der japanischen Nationalmannschaft dieses Jahr Weltmeisterin geworden. Heute soll sie der Turbine Glück bringen.

Aber auch auf der Gegenseite steht eine Weltmeisterin 2011: Kozue Ando spielt ebenfalls für die japanische Nationalelf. Es sind generell viele Weltmeisterinnen auf dem Platz. Eine von ihnen ist auf der Duisburger Seite: Linda Bresonik. Nachdem Patricia Hanebeck in der 35. Minute für Potsdam das 1:0 schießt, verhilft Bresonik den Potsdamerinnen mit einem Eigentor zum 2:0. Einen anschließenden Elfmeter verschießt sie und schließlich geht Turbine recht siegesbewusst in die Pause. Alle um mich herum sind völlig euphorisch und mein Sitznachbar ruft noch seine Frau an und sagt, dass das Spiel sehr gut ist, Duisburg aber leider keine Chance habe.

Die zweite Halbzeit sieht dann schon etwas rabiater aus. Duisburg will gewinnen. Die Männerrunde um mich sorgt sich nach einem Foul um die Spielerin Mittag: „Anja, lebst du noch?“ Nachdem Duisburg schließlich mit zwei Toren einen Gleichstand erkämpft hat, darf sich Linda Bresonik schließlich mit einem Siegertreffer für Duisburg von der ersten Halbzeit erholen. Turbine Potsdam verliert. Anstatt rumzupöbeln, gehen die meisten Fans aber zügig nachhause. Ich bin schon etwas traurig, aber vor allem total euphorisiert von dem wunderbaren Spiel.

Nur später am Abend ärgere ich mich doch. Es ist natürlich ganz und gar nicht überraschend, aber in der Tagesschau wird das Spiel ausgespart. Es geht um den Fußball der anderen. Die Fußball-WM der Frauen war eben nur ein kleiner Schattenriss im Dasein des Frauenfußballs. Ich bin seit diesem Spiel aber gerne Teil dieser kleinen, fast geheimen Verschwörungsrunde, die sich für diesen mittlerweile wieder verschwiegenen Sport mit dem doppelten F interessiert.