Team Film: „Just think of her as a gay boy.“ Über Sex und Gender in „Buffering… es wird geladen“
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Als ihr sorgloses Leben mit Vorstadthaus und schickem Auto plötzlich von Arbeitslosigkeit und Schulden bedroht wird, müssen Seb und Aaron kreativ werden: Irgendwie müssen sie ganz schnell einen Haufen Geld verdienen. Beim Surfen auf einer Pornoseite kommt Seb die glorreiche Idee: Er installiert eine Kamera im eigenen Schlafzimmer und verkauft die Videos im Internet! Die Idee „sex sells“ ist nicht neu, funktioniert aber tatsächlich gut. Das Problem ist nur: Sebs Freund weiß nichts von seiner neuen Karriere als Pornostar.
Angesichts des massiven Vertrauensbruchs reagiert Aaron (Conner Mckenzy) überraschend gelassen, als er zufällig die Kamera entdeckt. Schon am nächsten Morgen und nachdem Seb (Alex Anthony) ihm das Ausmaß der finanziellen Notlage offenbart hat, erklärt er sich einverstanden weiterzumachen – allerdings nur noch maskiert. Zugegeben, eine übermäßige Dramatisierung der Situation hätte den Fortgang der Handlung vielleicht auch unnötig aufgehalten. Die nun obligatorischen Verkleidungen – von der karnevalesken Augenmaske bis zum voluminösen Ganzkörper-Tierkostüm ist echt alles dabei – vergrößern die digitale Fangemeinde der Jungs, tragen aber natürlich auch zu gesteigertem Vergnügen seitens der Zuschauer_innen bei. Diese Schaulust ist primär auf einen komödiantischen Effekt ausgelegt, kann aber durchaus auch erotischer Natur sein: Schließlich werden die gut gebauten Darsteller beim Sex gezeigt. Dadurch werden nicht nur die Besucher_innen des Pornoportals zu Voyeur_innen, sondern auch das Filmpublikum selbst. Dass das Niveau dabei jedoch niemals tatsächlich ins Pornografische abrutscht, sondern immer eine geschmackvolle Distanz zum Gezeigten bewahrt, ist sicher eine der Stärken des Films.
Die Abgrenzung vom Porno erfolgt auch durch Wendungen im Plot, die den Figuren Tiefe verleihen: Die steigenden körperlichen und psychischen Anstrengungen belasten die Beziehung zwischen Seb und Aaron. Deswegen hegt insbesondere letzterer immer größere Bedenken gegen das Projekt. Er fühlt sich als „digital whore“, deren Körper zum Objekt der Begierde degradiert und ausgebeutet wird. Vor dem zweiten Kulminationspunkt des Films kommt Jem (Jessica Matthews) ins Spiel. Die ehemalige Mitbewohnerin übernimmt die Rolle der Pornoregisseurin und will den Jungs durch neue Ideen und moralische Stärkung zum ultimativen Erfolgsvideo verhelfen. Jem erfüllt allerdings noch eine weitere Funktion: die Auflösung konventioneller Geschlechterkategorien. Gemeinsam mit dem überaus attraktiven Nachbarn, der sich selbst als „not gay, just progressive“ beschreibt, gibt sich Jem im finalen Vierer ihren schwulen Neigungen hin. Ganz richtig: schwule Neigungen. Denn genauso wie Seb und Aaron völlig ungezwungen und klischeefrei schwul sein können, wird Jem von den anderen selbstverständlich als „gay boy“ akzeptiert – eine wirklich erfrischende Abkehr von normativen Genderkonstruktionen.
Buffering wurde im Januar 2011 auf dem schwul-lesbischen Filmfestival „Festival del Sol – Gran Canaria“ mit dem Preis für das beste Drehbuch ausgezeichnet. Es ist der Beweis dafür, dass man aus einem offensichtlich geringen Budget und einer relativ simplen Story einen unterhaltsamen und überraschend gehaltvollen Independent-Film zaubern kann. Nicht zuletzt der Soundtrack von der am Drehort Bristol heimischen Sängerin *Nancy* trägt mit tanzbarem Electropop zum Filmvergnügen bei.
Buffering… es wird geladen ist seit Oktober 2011 in Deutschland als DVD (OmU) erhältlich.
Text: Julia Dittmann