von Verena
„Die Menstruation ist bei jedem ein bißchen anders.“
Diesen Spruch verwendete der Tamponhersteller Johnson & Johnson in dem Beipackblättchen seines Produktes o.b. bis 1982 und zeigt damit anschaulich, wie paradox das im Deutschen verwendete, generische Maskulinum sein kann. Denn zumindest ich für meinen Teil kenne keinen ER, der schon Mal mit Menstruationsschmerzen flach gelegen hat.

Wer Deutsch spricht, spricht in vielen Fällen männlich. Der Durchschnittsdeutsche denkt bei hundert Sängern eben nicht an 99 weibliche und einen männlichen. „Futsch sind die 99 Frauen, nicht mehr auffindbar, verschwunden in der Männerschublade“, konstatierte die Linguistin Luise F. Pusch 1990 in ihrem Buch Alle Menschen werden Schwestern. Abgetan als diskriminierende Chauvie-Sprache, schaut daher so manch eine neidisch auf geschlechtsneutrale Sprachen wie das Englische. Da ist egal ob weiblich, ob männlich. Es steht immer nur „one singer” oder “hundreds of singers“ auf der Bühne. Doch bedeutet dies, dass die Engländer, die Frauen dementsprechend immer gerechterweise mitdenken? Schon im Deutschen zeigt sich bei neutralen Wörtern häufig, dass sie gesellschaftlich konnotiert sind. Wer an Alleinerziehende denkt, meint häufig Frauen. Wer an Mitglieder in einem Biker-Club denkt, hat wohl eher den tätowierten Mann vor Augen. Auch generische Neutra sind folglich nicht von Natur aus geschlechtergerecht. Sollte man unsere Sprache daher nicht eher als Chance begreifen, bevor man sie als frauenfeindlich verteufelt? In der deutschen Sprache HAT man die Möglichkeit explizit die weibliche Form mit einzubeziehen. Es sind dann eben die Sängerinnen und Sänger des Chores. Oder von mir aus, auch die SängerInnen oder Sänger_Innen, für  alle, die Platz sparen möchten. In der Theorie ist das Deutsche also eine tolle Sprache, die uns ermöglicht, genau das zu sagen, was wir meinen.

Soweit zur Theorie, in der Praxis herrscht jedoch weiter das Diktat des generischen Maskulinums. Der Duden erklärt es noch immer als korrekte Form und das Binnen-I (wie in SängerInnen) für fehlerhaftes, rechtschreibwidriges Deutsch. Der Duden weist jedoch auch darauf hin, dass der „Breitenwirkung der feministischen Sprachkritik“ Rechnung getragen werden muss. Man solle demnach in bestimmten Fällen das generische Maskulinum explizit in seine geschlechterspezifischen Formen auflösen (Lehrerinnen und Lehrer). Dieser Abschnitt im Standardnachschlagewerk scheint jedoch gerade bei vielen Zeitungen großzügig überlesen worden zu sein. In vielen Redaktionen gehört es immer noch zu den internen Richtlinien, die maskuline Pluralform für Männer und Frauen zu verwenden. Zeitweilen führt dies zur Ergänzung unserer Beispiel-Liste abstruser Satzkonstrukten, so führt Pusch in ihrem Werk eine Schlagzeile der Neuen Westphälischen an: “ Kfz-Mechaniker wird Schauspielerin“.

Es sei umständlich und verschwende Platz, immer beide Formen zu nennen, argumentieren die Redaktionen. Und dies, im Sinne des Dudens, wenigstens in den Fällen zu tun, in dem die explizite Benennung der Frauen den Unterschied macht? Eine einheitliche Schreibweise schreiben sich die Zeitungen hierbei als Leitfaden auf die Fahne. Doch eine andere Richtlinie journalistischen Schreibens besagt, immer möglichst präzise und nah am Thema zu sein. Und da ist bei einem gemischten Chor, die Benennung beider Geschlechter wesentlich genauer als die mutmaßlich verallgemeinernde männliche Form. Hier geht es nicht nur um ausgleichende Gerechtigkeit oder ein handhabbares Exempel für das “Große-Ganze“ Problem, der Rückverfolgung in der Geschichte des Mannes als Prototyp allen Strebens. Es geht um etwas ganz praktisches: Die Frauen mitzudenken! Die Leserschaft, die ein Leben lang nur von Schlagzeugern, Quantenphysikern und Auto-Ingenieuren hört und liest, entwickelt unterbewusst ein stereotypes Bild von diesen Berufen und Berufungen als männliche Domäne. Gendersensibles, journalistisches Schreiben kann dazu beitragen, diese bereits entstanden stereotypen Rollenvorstellungen aufzubrechen und den Menschen den Kopf frei zu machen für Schlagzeugerinnen, Programmiererinnen und DJanes. Dann kommen vielleicht auch mehr Mädchen und Frauen auf die Idee, diese Berufe und Hobbies zu ergreifen. In diesem Sinne: „Jede erlebt ihre Menstruation anders.“