Geschlechtergerechtes Formulieren geht jetzt ganz einfach: Mithilfe eines Tools für Microsoft Office sollen sich Texte auf gendergerechte Schreibweise überprüfen lassen. Das Add-In für Word ist auf Initiative des Bundeskanzleramts Österreich und der Bundesministerin für Frauen und Öffentlichen Dienst von Microsoft Österreich entwickelt worden. Seit Juni 2011 kommt das Tool in der österreichischen Verwaltung zum Einsatz.

Ich habe getestet, was das Tool taugt. Kann so ein Tool den gendersensiblen Umgang mit Sprache erleichtern? Ist es für den journalistischen Alltag zu gebrauchen?

So funktioniert’s

Die Installation des Plugins ist simpel. Das Tool steht unter einer Open-Source-Lizenz kostenlos als Installationspaket sowie als kompilierbarer Code zum Download zur Verfügung. Es erweitert die Funktionsleiste in Word um einen Reiter namens „Gendering“. Nach Aufruf des Reiters und einem Klick auf den Button „Text überprüfen“ erhalten Word-NutzerInnen – ähnlich wie bei der Rechtschreibprüfung – Hinweise auf mögliche Verbesserungen, indem die entsprechenden Textstellen grau unterlegt werden. Eine Auswahlliste mit Ersatzbegriffen (Vollform oder Binnen-I) erscheint bei der Anwahl mit dem Mauszeiger. Allerdings ist Vorsicht geboten, wenn Änderungen übernommen werden: BenutzerInnen müssen selbstständig die Grammatik des Satzes anpassen, d.h. zum Beispiel Artikel und Pronomen auf ihre Richtigkeit überprüfen.

Das Tool markiert leider auch Teile innerhalb eines Wortes, das bereits korrekt ist („Frauenministerin“) oder „feminisiert“ Teile in nichtpersönlichen Komposita: so wird der Bürgersteig zum BürgerInnensteig und der Leserbrief zum LeserInnenbrief. Überdies erweist sich die Wortliste als mehr als unvollständig: Wörter wie Arzt, Herausgeber, Absender oder Verbrecher sind nicht enthalten. Hier gehören dringend Ergänzungen vorgenommen.

Die Funktion des Tools beschränkt sich allgemein auf die Kennzeichnung fehlender weiblicher Formen. Vom Prinzip her handelt es sich um „search & replace“ – elegante Lösungen für schwierige Texte sind nicht zu erwarten. Diskriminierende Stereotypisierungen und Metaphorisierungen werden erst recht nicht erkannt. Für die Praxis bedeutet das: geschlechterneutral wird der Text durch den Einsatz des Gender-Tools definitiv nicht.

Testurteil ungenügend?

Mal abgesehen davon, dass das Tool noch einiger Aktualisierungen und Weiterentwicklungen bedarf, ist es sicher eine effiziente Hilfestellung für Leute im Verwaltungs- oder Firmenalltag, denen gendersensibles Schreiben noch nicht geläufig ist. Der Nutzen des Tools besteht aber vor allem darin, für die „Männlichkeit“ der deutschen Sprache zu sensibilisieren – und nicht etwa darin, sich dieses Thema durch Automatisierung vom Hals zu schaffen. Ihren Kopf benötigen die BenutzerInnen beim Formulieren geschlechtergerechter Texte trotz Tool auf jeden Fall. Es ersetzt eben nicht das Denken. Vor allem Journalistinnen und Journalisten müssen sich fragen: Welche Themen stehen im Mittelpunkt der Berichterstattung und wie sind sie aufbereitet? In welcher Art und Weise kommen Männer und Frauen im jeweiligen Kontext vor?

Fazit: Gendern leicht gemacht gibt es auch mit dem Gender-Tool nicht.

Marina