„Vor dem Filmstart können unsere Ladys bei einem Gläschen Prosecco in den neusten Ausgaben verschiedener Frauenzeitschriften schmökern oder sich von den Mitarbeiterinnen der Firma La Fleur zu exklusiven Dessous beraten lassen. Zusätzlich gibt es für jede Cinema Lady eine Kostprobe unserer leckeren Smoothies.“ Dies ist nur eins von vielen verheißungsvollen Angeboten, die mir von bunten Werbeanzeigen förmlich entgegengebrüllt werden, während ich nichtsahnend auf der Website einer großen Kinokette herumklicke.
„CineLady“, „Ladies Night“, „Ladies First“ nennen sich solche Themenabende, deren unoriginellen Namen – das Wort „Lady“ sollte im Namen tunlichst nicht vergessen werden – sofort klar machen, worum es geht: Kino für die Dame.  Was mich bei so einem Abend erwartet? Nach dem genaueren Studieren von knalligen Flyern wird mir das Muster schnell bewusst. Egal, welchem Kino ich meine Gunst gewähre, es erwartet mich immer die volle Happy-Breitseite, bestehend aus einem süß-klebrigen Drink, weiblicher Exklusivität dank des konsequenten Ausschlusses von männlichen Zuschauern, wahlweise lustigen Geschicklichkeitsspielchen oder Unterwäsche-Beratung sowie mindestens 90 Minuten lang Til Schweiger.
Ich beschließe im Selbstversuch, das Angebot genauer unter die Lupe zu nehmen.
Im Kino treffe ich auf hordenweise Frauen jeden Alters, die Luft ist geschwängert von euphorischen Vor-Filmbesprechungen im typischen „Ich sehe gleich die ganz große Liebe auf noch größerer Leinwand!“-Ton (in Sopran), angestoßen wird mit alkoholhaltigem Blubberwasser. Wenig später finde ich mich im Kinosaal wieder, erste Reihe. Das waren die letzten Plätze, die noch zu ergattern waren, der Saal ist restlos ausverkauft und die Stimmung bebt.
Beinhahe erschrecke ich, als ein adrett gekleideter, dynamisch-junger Herr (richtig gehört!) in den Raum tritt und dezent ins Mikro hüstelt. Das Vorabendprogramm geht los, sagt er, und dass er „die Stimmung noch etwas anheben“ wolle, denn er habe „ganz tolle Preise im Gepäck“. Zu gewinnen gibt es ein Fotoshooting namens „Diva for one Day“, wer gewinnen will, muss sich auf den großen Präsentierteller begeben und vor jubelnden Zuschauerinnen einen Eierlauf vollführen, also ein Ei auf einem Löffelbalancieren. Bleibt das Ei heil, gibt’s den Gutschein. Ich lasse den Blick schweifen und bemerke die gesamte Palette der Emotionen – von Begeisterung bis hin zu purer Langeweile – auf den Gesichtern der anderen.
Endlich startet der Film und die Meute ist still, lediglich unterbrochen von Seufzern, die immer dann geäußert werden, wenn  Til Schweiger etwas sehr sensibles von sich gibt. Trotzdem: Die 90 Minuten vergehen schneller als erwartet.
Wieder zu Hause, lasse ich den Abend noch einmal Revue passieren. Entspricht das Erlebte wirklich einem Kinoabend, wie ich als Frau (und als solche möchte ich mich durchaus bezeichnen. Auch, wenn mich bei „Keinohrhasen“ kein Zustand der Glückseligkeit ereilt.) ihn mir vorstelle? Die Antwort ist ein klares Nein. Auffallend war die tatsächlich ausgelassene, positive Stimmung unter den Zuschauerinnen, allerdings schien ich nicht die einzige gewesen zu sein, die etwas enttäuscht vom stereotypen Angebot war.
Ein Kinoabend unter Mädels, mit nettem Film und guter Laune? Gerne! Aber muss es dabei immer das Rosa-Zuckerwatte-Wohlfühl-Paket sein? Werfe ich einen Blick auf das entsprechende Konterangebot nur für männliche Zuschauer, werde ich neidisch. Es werden „geballte Action, atemberaubende Thriller und gewagte Stunts“ versprochen, all das unter dem Titel „Kino für echte Kerle“. Dazu gibt es ein kühles Bier inklusive.
Unweigerlich frage ich mich, warum ein Kinoabend, ein nettes Zusammensein, derart stereotyp dargestellt werden muss. Erscheint es Kinobetreibern tatsächlich als so absehbar, dass Männer auf Action, Frauen auf Romantik stehen? Das finde ich mindestens so fragwürdig wie die strikte Geschlechtertrennung, die diese Programmabende vollziehen. Ist schon ein Großteil unseres Alltags gegendert, so sollten wir doch zumindest im Bereich des Entertainment, wenn wir gemütlich mit unseren Freunden einen Abend verbringen wollen, die freie Wahl haben und nach unseren Interessen als Mensch, nicht als Gender, entscheiden dürfen.
Ich wünsche mir einen Free-for-all-Abend, eine People-Night mit kühlem Bier für alle, mit gutem Humor und ebenso guten Gesprächen statt Eierlauf und einem alten französischen Drama. Oder wahlweise gerne auch mal Transformers, denn Megan Fox darf heiß finden, wer will. Vielleicht darf dann auch Til Schweiger ein kleiner Gastauftritt gegönnt sein.
Kristina Sehr