Team Serie: B(r)e(a)st Friends with Wolowizard – Frauen in Big Bang Theory
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Die amerikanische Physiker-Sitcom Big Bang Theory sieht ihre männlichen Protagonisten als Physiker, Nerds oder auch Loser – die weiblichen Figuren jedoch vor allem als eins: Frauen.
Big Bang Theory spielt in der Welt der Astrophysiker Dr. Leonard Hofstadter, Dr. Dr. Sheldon Cooper, Dr. Rajesh Koothrappali und Howard Wolowitz (kein Doktor, nur ein Ingenieur). Die ist vor allem von erwachsenen Männern in Star Trek-Kostümen, Lasern, Spielekonsolen und Komikbuchhelden bevölkert. Eigenständige Frauenrollen tauchen nicht auf. Kommen Frauen dennoch vor, sind es nicht ihre naturwissenschaftlichen Kenntnisse, ihre „Halo“-Fähigkeiten oder die akademischen Errungenschaften, die sie ausmachen, sondern ihre Sexualität.
Irgendeiner will mit ihnen schlafen – das verschafft den weiblichen Figuren einen Platz im Freundeskreis und treibt die Handlung voran.
Den nerdigen, inselbegabten und sozial recht inkompetenten männlichen Figuren stehen ausgeprägte „Mädchenmädchen“ gegenüber: es ist der sexualisierte Blick auf die drei wichtigsten weiblichen Charaktere Penny, Bernadette und Amy, der alle nicht eindeutig „weiblichen“ Eigenschaften aus dem Blickfeld der Zuschauer rückt.
Penny, die weibliche Hauptfigur, zieht zu Beginn der Serie ins Apartment gegenüber – Leonard lädt sie zum Essen ein, weil er bei ihr landen will, und seine lange vergeblichen Bemühungen tragen die ersten drei Staffeln. Nach dem Scheitern ihrer Beziehung ist es die offene Frage nach den „wahren Gefühlen“ der beiden, um die sich Pennys und Leonards Interaktion dreht – inklusive Zickenkrieg gegen Leonards neue Freundin Priya.
Penny ist Kellnerin, eigentlich möchte sie Schauspielerin werden, hat bisher jedoch keinen Erfolg. Sie hat ein Community College besucht, aber keinen Abschluss gemacht und kann im Wissenswettbewerb mit den Physikgenies unmöglich mithalten. Pennys Stärke sind soziale Kompetenzen. Sie ist offen und kontaktfreudig, hat praktisches Weltwissen und sozial verträgliche Umgangsformen. Das unterscheidet sie fundamental von ihren Freunden, die sich auf dem Mond besser zurechtfinden würden als in ihrer Heimatstadt.
Pennys Problem ist nur, dass man sich davon nichts kaufen kann, so dass sie ständig in Geldnot steckt und entweder ihr gutes Aussehen zum Schnorren benutzt („I get by, I am cute“) oder sich von den besserverdienenden Physikern Geld leihen muss. Penny ist zuständig für Nestwärme und dafür, Kinderlieder zu singen, wenn Sheldon krank ist.
Bernadette wird in Staffel 3 Howards Freundin. Sie kellnert mit Penny, macht allerdings hauptberuflich einen Doktor in Mikrobiologie. Trotzdem wirkt Bernadette häufig, als könne sie nicht bis drei zählen. Sie gibt vor, den Regeln der Balz zu folgen: eine Frau müsse abwarten, bis der Mann den ersten Schritt mache, außerdem sei es doch offensichtlich, dass eine Frau mit einem Mann wie Howard (Pisspottschnitt, Rollkragen, Skinny Jeans) nicht zum Händchenhalten zusammen sei. Weitere Regeln sind, über Howards Witze zu lachen und ihn nicht wissen zu lassen, dass sie schlauer ist als er: „It is important to protect his manhood“. Entsprechend schwierig wird die Beziehung, als Bernadette ihren Doktor macht und Howard sowohl akademisch als auch finanziell überflügelt.
Amy Farrah-Fowler bildet die Ausnahme. Sheldon und sie werden von einer Dating-Seite füreinander bestimmt – die Anmeldung erfolgte in Sheldons Fall ohne sein Wissen, in Amys auf Druck ihrer Mutter. Zu ihrem gegenseitigen Erstaunen verstehen sich Sheldon und Amy blendend – sie verbinden Desinteresse an direkten Kontakten, außerordentliche naturwissenschaftliche Leistungen, grundsätzliches Unverständnis sozialer Konventionen und eine selbstverständliche Überzeugung von der eigenen Überlegenheit über alle anderen.
Allerdings erkennt Sheldon sofort: „She is not the free spirit I am“. Im Gegensatz zu ihm akzeptiert Amy die grundsätzliche Notwendigkeit sozialer Interaktionen und liest das Buch der sozialen Regeln – auch wenn sie diese häufig fehlinterpretiert. Die Mädchenabende mit Penny und Bernadette, bei denen Amy das erste Mal trinkt und tanzt, sind für sie keine Zumutung, sondern eine willkommene Ergänzung. Je mehr Amy sich für „Frauenthemen“ („Girls talk: unicorns, rainbows, menstrual cramps“) interessiert, desto mehr rückt sie ins Blickfeld der Serie. Amy hat, im Gegensatz zu Sheldon, eine Sexualität. Er lehnt lange ab, sie seine Freundin zu nennen – als er das ändert, ist es nicht aus romantischen Gefühlen motiviert. Was Amy in die Handlung einbindet, ist nicht Sheldons Interesse an einer sexuellen Beziehung – es ist das Interesse der Zuschauer.
Was Penny, Bernadette und Amy für die Serie interessant macht, sind nicht ihre eigenen Eigenschaften oder ihr eigenes Leben, sondern ausschließlich ihr Verhältnis zu den männlichen Charakteren. Obwohl zumindest Penny und Bernadette sich schon zuvor kannten, werden die drei erst durch das verbindende Element der Männer Freundinnen.
Die Gestaltung der Freundschaften unterscheidet sich deutlich. Wenn Leonard, Sheldon, Rajesh und Howard sich für „Halo“ oder „Star Trek“ treffen, ist das kein Männer- oder Jungsabend, sondern eben „Halo“- oder „Star Trek“-Nacht. Wenn nebenan Penny, Bernadette und Amy mit Eis und Alkohol vorglühen, ist das, natürlich, ein Mädchenabend.
Auch die Darstellung ihrer Arbeit ist selektiv: Penny wird beim Kellnern gezeigt – auch Bernadette sieht man ausschließlich an ihrem gemeinsamen Arbeitsplatz, der Cheese Cake Factory. Von Bernadettes eigentlicher Tätigkeit erfährt man lediglich, wenn sie mal wieder die Labormitarbeiter mit multiresistenten Bakterien infiziert hat. Auch von Amys Arbeit, die es an Brillianz scheinbar sogar mit Sheldon aufnehmen kann, wird nicht mehr gezeigt als ein kleiner, fieser, rauchender Affe, der Hosen trägt und in ihrer Wohnung lebt – was sie mehr fürsorglich denn wissenschaftlich erscheinen lässt.
Amy hat sich ausgesucht, das Mädchenspiel zu spielen. Sie musste erst den Wikipedia-Artikel lesen, um sich mit dem Ablauf einer Pyjamaparty vertraut zu machen und stürzt sich in „girl stuff“ wie in eine wissenschaftliche Studie. Big Bang Theory legt so die Grundlagen des Zusammenlebens frei: statt angeborenen Naturgesetzen werden soziale Konventionen und konstruierte Rollenvorstellungen zutage gefördert. Mit Amy enttarnt die Serie scheinbar natürliche Maßgaben als das, was sie wirklich sind: Spielregeln, die man befolgen kann – oder eben nicht.
Hanna Leister