Team Alltag/Lifestyle: „Piekfeiner-Zicken-Haushalt“ vs. „Schmuddelige-Trinker-WG“
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Wer kennt sie nicht, die Horrorstorys des WG-Lebens. Vor allem in der Studierendenkultur ist die Wohnsituation „Wohn-Gemeinschaft“ weit verbreitet. Ich wohne allein, in meiner eigenen Wohnung, nicht zuletzt aufgrund der Gruselgeschichten die man aus WGs immer wieder hört: Verdreckte Wohnräume mit jeder Menge Leergut in Junggesellenhaushalten, Ansturm auf das Badezimmer und diverse Kleinkriege in den weiblich-dominierenden Haushalten. Es ist zwar hin und wieder etwas einsam, so allein in meinem Reich, aber ich bin meine eigene Chefin. Das bedeutet: keiner verunreinigt meine Räumlichkeiten außer mir selbst. Doch stellt sich die Situation in Männer- und Frauen-WGs tatsächlich so schwarzweiß dar? Fernab von Märchen über den „piekfeinen-Zicken-Haushalt“ und der „schmuddeligen-Trinker-WG“ habe ich selbst einmal befreundete WG-Bewohner und Bewohnerinnen aus Münster zu ihrem Leben in der WG befragt, um herauszufinden, ob die vorherrschenden Klischees stimmen oder nicht. Studierend, in der Ausbildung und/oder arbeitend meistern sie mit den unterschiedlichsten Mietgenossen ihren Alltag. Für mich standen sie Rede und Antwort, als es um die pikanten Fragen zu Alkoholkonsum, Essgewohnheiten und das Thema „Sauberkeit“ ging. Meine bestechenden Argumente dabei: Gemütliche Couch, Schockoplätzchen, Kaffee und Kakao.
Die zierliche Nadine, die sich auch in jeder „Männerrunde“ zu behaupten weiß, wohnt mit einer Freundin und einem Pfadfinderkollegen zusammen und meint: Männer-WGs sind spartanisch, praktisch, schlicht. Nackte Frauen an den Wänden, Technikkram, wo man nur hinsieht, und auf dem Boden tobt der Kampf der Hausstaubmilben. Ein „kühles Blondes“ darf natürlich auch nicht fehlen. Der Philosophie- und Geschichts-Student Pascal teilt seit nunmelhr als drei Jahren eine Wohnung mit seinem Schulfreund (Geschichte und Kunstgeschichte) und gibt offen zu „Männer- und Frauen-WGs unterscheiden sich in Punkto Sauberkeit!“. Eine halb entblößte Dame findet man jedoch lediglich an der Badezimmertür. Und wie sieht es dagegen in Frauen-Behausungen aus? Auch dazu hat Nadine eine Meinung: „Frauen-WGs sind verspielter eingerichtet, bunt gestrichen, viele persönliche Bilder schmücken die Räume. Sie sind ordentlicher und sauberer, da steht eher mal ne Flasche Sekt rum statt Bier“.
Jan, die „männliche Krankenschwester“ in Ausbildung kennt beide Seiten. Er hat bereits zwei Jahre mit Mitbewohner und -bewohnerin auf dem Buckel. Überwiegend teilt er Nadines Vorstellung von typischen Männer- und Frauenhaushalten. Er kennt allerdings auch die anderen Extreme: eine dauerhaft supersaubere Männerbude und eine komplett „versiffte“ reine Frauen-WG. Da muss auch Nadine zugeben: „Ich bin chaotisch. Das heißt, es ist mal unordentlich, aber niemals dreckig!“. Jan wiederum macht keinen Hehl darum, dass alle in seiner WG, einschließlich ihm selbst, es nicht allzu genau mit der Ordnung nehmen.
Der modebewusste Germanistik-und-Kulturanthrophologie-Ersti Kristina wiederum lebt seit zwei Monaten zusammen mit zwei Jungs. Sie hat ein ganz anderes Bild im Kopf als Nadine, wenn sie „Frauen-WG“ hört: „Bei frauendominierenden WGs denke ich immer, ich muss die ganze Zeit über meine Gefühle quatschen, es wird herumgezickt, und alle streiten sich um mehr Zeit im Bad.“ Den Badezimmerkrieg kann die aufgeweckte Germanistik-Studentin Sabine zwar nicht bestätigen, und auch das „Zicken“ hält sich in Grenzen, „gelästert wird aber viel!“. Und Sie muss es doch wissen, teilt sie immerhin ihre Örtlichkeiten mit drei Frauen bereits seit April 2011. Ihr Tipp, um morgendliche Katastrophen aufgrund mangelnder Badbenutzungszeit vorzubeugen: IMMER abends duschen. Das hilft jedoch nicht gegen die Tatsache, dass sie gefühlte 24 Stunden am Tag vollgelabert wird, wenn sie daheim ist. Sie würde ihre WG deswegen so beschreiben: „Wenn man Gesellschaft/Unterhaltung möchte: Top. Wenn man seine Ruhe haben möchte: Flop!“. Das viele Reden heißt jedoch nicht, dass auch über Probleme miteinander geredet wird. Was Kleinkriege in der WG angeht, so werden diese entweder gar nicht wirklich thematisiert und geraten irgendwann in Vergessenheit (sowohl bei Männer- und Frauen-WGs). Oder aber man verfolgt eine „konstruktive Feedbackkultur“, wie Nadine es ausdrückt; so garantiert man ein nicht lebensbedrohliches Miteinander in der Wohngemeinschaft. Ab und zu darf und muss aber trotzdem gemeckert werden, ob nun Mann oder Frau.
Was das Thema „Putzen“ angeht, so sind sich wohl alle befragten WG-Bewohner und Bewohnerinnen einig: ein Übel, das hin und wieder einfach in Kauf genommen werden muss, um nicht vollkommen im Müll und Dreck zu ersticken. Manchmal gibt es einen Putzplan, der gut oder auch weniger gut funktioniert. „Im Winter wird er komischerweise öfter eingehalten als im Sommer“ bemerkt Jan augenzwinkernd. „Der Flur wird gerne mal über einen längeren Zeitraum vergessen und auch der Wischeimer wird von dem einen oder anderen ab und an konsequent ignoriert.“ Wie oft er zu „dem einen oder anderen“ gehört, darüber schweigt er sich jedoch aus. Der lockere Pascal hat noch eine Alternative zum Putzplan parat: „Wer was putzt, wird ausgeknobelt“. Häufig ist es so, dass der Putzauftrag auf den letztmöglichen Moment hinausgeschoben wird, bis alle der Ansicht sind, dass ein weiterer Aufschub zum baldigen Ableben der WG-Insassen führt; entweder, weil man am Boden kleben bleibt und elendig verhungert oder weil die Türme schimmligen und schmierigen Geschirrs die WG-Mitglieder unter sich begraben.
Und wer produziert die Unmengen an dreckigem Geschirr? Tatsächlich scheinen die befragten WGs überwiegend zu kochen (so mit Topf und Herd und so, statt mit Mikrowelle), wobei natürlich hin und wieder Fastfood konsumiert wird. Es ist ja auch „fast und günstig“ wie Pascal (der Geizkragen) immer wieder betont, oder auch einfach nur schmeckt. Kristina outet sich diesbezüglich als wahre „Frau hinterm Herd“: „Meistens koche ich, weil es mir super viel Spaß macht und ich am besten kochen kann. Außerdem mag ich die Experimente der Jungs nur ungern mitessen“. Und was ist mit Trinken? Alkohol jedenfalls scheint in jedes WG-Repertoire zu gehören, und das sowohl Bier als auch diverse Spirituosen.
Ihr seht also, gesoffen und gekocht wird überall, hin und wieder haben auch die Männer was zu mosern und Putzen mag und möchte keiner so wirklich gerne.
Isa