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Team Alltag/Lifestyle: Zeige mir deinen Badezimmerschrank, und ich sage dir, wer du bist?
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Ein Blick durch die Drogerie um die Ecke genügt und es ergibt sich schnell der Eindruck: Beautyartikel sind Frauensache. Von allen großen Werbeplakaten lächeln stets Frauen mit der neuesten Handcreme oder einem neuen Haarspray und auch die meisten Drogerieketten stellen nach wie vor nur weibliche Verkäuferinnen ein – weil die angeblich mehr Ahnung haben, die Produkte authentischer an die KundInnen bringen.
Aber entspricht das wirklich der Realität? Sind es nicht neuerdings auch die Männer, die immer mehr Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild legen? Und bedeutet das Attribut weiblich denn wirklich zwangsweise, dass Pflegeprodukte unverzichtbar sind und griffbereit im Bad stehen?
Um mit diesem Vorurteil aufzuräumen, genügt eigentlich schon ein Blick in das nächste Badezimmer einer Männer-WG. Wer hier außer Zahnbürste und Deoroller nicht viel erwartet hat, sollte mit seinem klischeebehaftetem Denken schnellstens aufräumen: Der männliche Badezimmerschrank hat doch so viel mehr zu bieten als nur das Nötigste! Von Rasierschaum über Haarspray, Haargel und Spülung für widerspenstiges Haar bis hin zur Nagelpfeile und Körperlotion ist hier nämlich die breite Palette an Pflegeprodukten vorhanden. Und die stehen nicht nur dekorativ neben dem Spiegel, sondern werden auch noch benutzt (wie merkwürdig?!).
„Warum sollte ich nicht darauf achten, wie ich aussehe? Dazu gehört doch einfach auch Körperpflege!“, stellt Student S. (23) frustriert fest. „Meine Freundin macht sich ja schon über meine Zahnseide lustig … Das ist doch Blödsinn! Sie will, dass ich nicht rumlaufe wie `drei Tage ungewaschen´, aber sobald ich dann selbst auch anfange, mich mit dem Thema Körperpflege über das tägliche Duschen hinaus zu beschäftigen, findet sie´s peinlich“, erzählt er weiter. Und deckt damit das paradoxe Verhalten einiger Frauen auf: Viele möchten einfach gar nicht, dass ihr Freund oder Ehemann länger im Bad braucht als die üblichen 15 Minuten, die für Katzendusche und Nassrasur nötig sind. Schließlich wohnen sie ja nicht mit einer Frau zusammen. Halt Stopp! Zeichnet sich eine Frau denn unbedingt durch ihre Zeit vor dem Spiegel aus?
„So ein dummes Klischee!“, regt sich Studentin L. (26) auf. „Inzwischen gibt’s doch so viele Beautyprodukte, die speziell für Männer entwickelt wurden. Wenn kein Mann die benutzt, warum stehen sie dann in den Läden?“ Klingt eigentlich logisch! „Ich persönlich kenne auch gar keine Frau, die dem Beautywahn verfallen ist, wie es in den Medien immer berichtet wird. Handcremes pflegen die Hände und die haben ja wohl nicht nur die Frauen!“ Schon wieder richtig! Viele Frauen können sich auch gar nicht mit dem Bild der ständig gepflegten Schönheitskönigin identifizieren, haben eventuell auch gar keine Lust, zwei Stunden früher aufzustehen, um sich zu stylen wie die Models der Modemagazine.
Der weibliche Part ist nicht unbedingt uninteressiert am Thema Beautyprodukte, aber warum sollte man jemandem etwas aufdrängen, das er oder sie gar nicht möchte? Männer trinken doch auch nicht dem (leider) gängigen Klischee nach nur Bier, sondern genießen auch mal ein großes Glas Rotwein – frei nach dem Motto: Warum sollte ich nur tun, was andere von mir erwarten?
Das Angebot ist daher auch überhaupt nicht mehr bloß auf Frauen beschränkt: Wenn man(n) sich pflegen möchte, dann kann er das auch relativ problemlos tun. In jeder gut sortierten Drogerie gibt es seit einiger Zeit neben Rasierschaum und Parfüm auch jede Menge Cremes, Peelings und Masken, die gezielt auf Männerhaut abgestimmt sind. Mindestens ein Regal hält jeder Laden bereit und damit es auch keine Missverständnisse gibt, weisen männliche Werbeträger auf Plakaten und Aufstellern auf die meist farblich dezent gehaltenen Tuben hin. „Pinkes Haargel würde doch kein Mann kaufen!“, meint Verkäuferin A. (32) dazu. Ob diese Aussage allerdings stimmt, ist fraglich. Würde die bunte Verpackung nicht unweigerlich auch bunten Inhalt suggerieren, wer weiß, wie viele Männer dann trotzdem zugreifen würden. Das Marketingkonzept für die Produkte der männlichen Verbraucher funktioniert jedenfalls auch ohne knallige Verpackung bestens.
Die Produktionswelt hat sich auf den männlichen Kunden, der seinen Haaren auch mal eine Kur gönnt, jedenfalls eingestellt. Aber was heißt eigentlich „mal“? Wie oft benutzt der Durchschnittsmann denn eigentlich Drogerieartikel und vor allem zu welchem Anlass? Wenn in diesem Artikel überhaupt ein Klischee bedient werden kann, dann ist es lediglich hiermit getan: Während Frauen fast täglich auf die Wirkung von Handcreme und Haarspülung setzen, heben sich Männer dies anscheinend lieber für besondere Anlässe auf.
Natürlich führt nicht jede Frau in ihrer Handtasche ein Arsenal an Tübchen und Cremes mit sich spazieren (ja, auch das ist ein hartnäckiges Vorurteil!). Genauso gibt es auch Männer, die jeden Morgen 10 Minuten länger im Bad verbringen. Aber die meisten von ihnen benutzen obige Utensilien lieber bei nichtalltäglichen Angelegenheiten, wie der nächsten Präsentation in der Uni oder beim Geburtstag des Kumpels. „Wenn ich weiß, mein äußeres Erscheinungsbild ist gepflegt, dann gibt mir das auch ein Stück mehr Selbstvertrauen. Dann ist es vielleicht auch egal, wenn der Prof meinen Vortrag blöd findet. Ich sah beim Versagen wenigstens gut aus…“, sagt T. (25) grinsend.
Und so wie ihm geht es vielen anderen auch. Egal ob Männlein oder Weiblein. Gutes Aussehen verleiht ein gutes Gefühl. „Wenn dir gefällt, wer dich da im Spiegel anguckt, dann strahlst du mehr Sympathie und Gelassenheit aus“, hat Mutti schon immer gesagt. Und wenn dazu die simple Benutzung von Pflegeutensilien beiträgt, warum sollte man das dann nicht einfach ausnutzen? Denn: Egal ob männlich oder weiblich, ein gutes Gefühl kann jeder mal gebrauchen.
L. Maring