Team Alltag/Lifestyle: Frauenfußball kann, muss man(n) aber nicht mögen!
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Nicht selten hat ein Sportereignis die Gender-Diskussion so angestachelt wie die Frauen-Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Sommer, und in ebenfalls keinem anderen Kontext wurden so viele ausgelutschte Klischees zum Besten gegeben, die für noch mehr Unverständnis in allen Lagern sorgten.
Unumstritten ist: AnhängerInnen der gesamten Nation unterstützten „unsere“ Elf und die Behauptung, dass männliche Zuschauer Spaß am Kick des anderen Geschlechts gefunden hatten, ist ebenso zulässig und korrekt wie die Aussage, dass nicht jede Frau dem Team um Bundestrainerin Silvia Neid während der Spiele die Daumen drückte.
Die Frage, die sich vielen im Vorfeld dieses großen Turniers aufdrängte, war folgende: Sollte ein fußballverrückter männlicher Fan, dem die samstägliche Sportschau das Wichtigste am Wochenende ist und dem der Kicker einer Pflichtlektüre gleichkommt, nun auch den Frauenfußball mögen und die Spiele schauen?
Nein, ist meine Meinung. Definitiv, so die Ansicht vieler weiblicher Mitbürger. Keinesfalls sollte ein Fass ohne Boden aufgemacht und erneut die schon so häufig diskutierten Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfußball thematisiert werden, denn über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten und es lassen sich Gründe für beide Parteien der ZuschauerInnenschaft finden, welche entweder lieber bei den Spielen der Männer einschalten oder bei denen der Frauen.
Oberflächlichkeit und Ignoranz wird den Herren nachgesagt, die scheinbar aus Prinzip keine Spiele der Damen verfolgen. Nun sehe ich mich nicht als mögliche Zielscheibe solcher Vorwürfe, kann ich doch (stolz?) behaupten, jedes einzelne Spiel der Damen inklusive dem unglücklichen Ausscheiden gegen die Turniersiegerinnen aus Japan an der Flimmerkiste miterlebt zu haben.
Trotzdem sollte es in meinen Augen legitim sein zu sagen, dass man Frauenfußball nicht schaut, „weil man ihn nicht mag“. So vage diese Begründung auf den ersten Blick nun scheinen mag, steckt doch etwas dahinter. Ebenso, wie ein (auch immer gearteter) Unterschied zwischen Frauen- und Männerfußball für alle ZuschauerInnen erkennbar ist, lässt sich, wie bereits erwähnt, über Geschmack nicht streiten. Und genau aus diesem Grund vermag niemand die Wahrheit zu sprechen, sobald er oder sie behauptet, die Sportart des einen oder anderen Geschlechts sei „besser“.
Andere Vorwürfe sind Diskriminierung und Sexismus einiger männlicher Fußballfans. Diese Begriffe haben beispielsweise Konjunktur, wenn es um Männer geht, die die Spiele des Aussehens der Spielerinnen wegen schauen. Ich bin der Meinung, dass der Großteil der männlichen Bevölkerung, der die Spiele der Frauen-WM verfolgt hat, dies tatsächlich nicht aus diesem Grund getan hat – doch sind nicht auch diese „Fans“ zu tolerieren? Dass die Zuschauerinnen des Herrenfußballs im Stadion „den Ballack süß finden“ oder es begrüßen, dass die Trikots der Männer von Jahr zu Jahr enger und körperbetonter zu werden scheinen, ist in meinen Augen ebenso wenig ein Problem, wie wenn ein Mann die Spiele der Damen verfolgt, weil er Spielerinnen wie Simone Laudehr oder Celia Okoyino da Mbabi attraktiv findet – das heißt nicht, dass jene die Nationalhymne weniger inbrünstig singen oder ihr Team siegen sehen möchten, auch wenn sie womöglich nicht Nummer Eins bis 23 des eigenen Teams nennen können. Auch meinem Verständnis nach sollte die ästhetische Komponente beim Sport keine dominierende Rolle einnehmen.
Rückblickend ist in jedem Fall festzuhalten: Es gibt viele Männer, die die Spiele „unserer“ Frauen geschaut haben, weil sie den Sport gut finden. Dennoch würden uns mehr Toleranz für die Meinung und Akzeptanz für den Sport des anderen Geschlechts gut tun– auf beiden Seiten. Ich bin mir sicher, dass dieses stimmungsgeladene Turnier dazu beigetragen hat, den Frauenfußball den allgemein an Sport interessierten FernsehzuschauerInnen näher zu bringen – 70.000 AnhängerInnen im Berliner Olympiastadion und über 16 Millionen begeisterte ZuschauerInnen vor den Fernsehern sprechen eine deutliche Sprache.
Julian Graffe