Team Serie: Gleeks applaudieren und die Genderpolizei kann beruhigt weiterfahren
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Nein, es ist kein Schreibfehler. „Gleek“ ist die Bezeichnung für die Fans der Serie Glee, in der es um einen High-School-Chor, den Glee Club „New Directions“, geht, der eigentlich immer kurz vor dem Aus steht und sich die finanzielle und emotionale Unterstützung der Schule hart verdienen muss.
Mehr sei zum Plot an dieser Stelle nicht gesagt, da ich niemanden spoilern möchte. Vielleicht möchte ja die eine oder der andere die Serie noch gucken. Auf Deutsch gibt es bisher jedoch nur die erste Staffel (seit Frühjahr 2011 auf SuperRTL), in Amerika läuft momentan die dritte, alle Folgen (auch englische mit deutschen Untertiteln) sind im Internet zu finden.
Auf den ersten Blick ist Glee eine durch und durch übertriebene Darstellung der McKinley High School, wo für Freaks, Geeks, Nerds und sonstige Außenseiter der Glee Club der einzige Zufluchtsort ist. Viele der Szenarien, die das dramatische Potenzial der jeweiligen Folge bereitstellen, sind schlichtweg unglaubwürdig und würden in einer echten Schule nie passieren. So zum Beispiel das Vorhaben der Cheerleader Coach Sue Sylvester, eine Schülerin mit einer Kanone durch ein Footballtor zu schießen oder die Darstellung des Direktors der Schule, Principal Figgins, der sich regelmäßig manipulieren und (teilweise sogar von Schüler_innen) herum schubsen lässt. Der Lichtblick für die musikbegabten Teenager in dieser verrückten Welt ist der Glee Club, dessen Mitglieder zusammenhalten und den widrigen Umständen (Geldmangel, böse Cheerleading Coach, die den GC immer zerstören möchte, mangelnder Support durch Kollegium und Schüler_innenschaft) trotzen.
Auf den zweiten Blick gibt es aber auch im GC selbst genauso wie in der gesamten High School Vorurteile, die jedoch meist bearbeitet und geklärt werden. Genau diese „Bearbeitung“ von Vorurteilen macht Glee auch so besonders. Es werden Themen aufgegriffen, die in anderen Serien gar nicht vorkommen oder nur von ihrer komischen (im Sinne von Komik, nicht seltsamen) Seite gezeigt werden, wie z.B. Erwachsene, die noch nie Sex hatten. Mit derartigen Tatsachen wird bei Glee sehr vorsichtig und feinfühlig umgegangen.
Die Herangehensweise, alles übertrieben und überlebensgroß darzustellen, schafft natürlich Komik und überhaupt Stoff für die Serie, macht aber vielleicht das Publikum auf einige Ungereimtheiten im eigenen Leben und im Umgehen mit Vorurteilen aufmerksam.
Auf den dritten Blick steht die McKinley High stellvertretend für die USA als ganzes und stellt die meist versteckten, teils jedoch auch offenen Vorurteile dar, die (auch in Deutschland!) noch bestehen und bekämpft werden müssen, wie z.B. Sexismus, Rassismus, Vorurteile gegen Dicke, Behinderte, Menschen anderen Glaubens, etc.
Meiner Meinung nach schafft Glee als erste Serie einen Raum, der eben nicht politically correct ist, wo aber gerade deshalb Verbesserungen vorgenommen und auf Missstände aufmerksam gemacht werden kann. Das heißt, die Umgebung der Schule ist vorurteilsbeladen und unfair (wie in vielen High School-Übertreibungen und auch im wahren Leben), aber die Reaktionen der Glee Kids, die mit den Situationen umzugehen wissen und meist etwas Positives daraus gewinnen, machen Glee zu etwas besonderem.
Alles in allem ist Glee eine durchaus guckbare Serie, wobei ich mir habe sagen lassen, dass manch eine_r nur jeweils eine bis höchstens zwei Folgen nacheinander gucken könnte, da es sehr anstrengend sei; ich als (sehr) geübte Serienguckerin hatte damit kein Problem. Es ist eine sehr plakative Serie, die aber sensibel mit den Kern-issues (Vorurteile und wie man sie bekämpfen kann) umgeht und dabei die Fähigkeit der Zuschauer_innen, Ungerechtigkeiten und auch eigene Vorurteile zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken, aufdeckt oder verbessert.
Und last but not least sei noch etwas zur Musik gesagt, die in diesem Beitrag zugegebenermaßen zu kurz gekommen ist. Das Vorurteil ist, dass sie komisch ist, meist aus Musicals stammt, die manche nicht kennen und viele schlicht nicht mögen. Tatsächlich ist es aber oft zeitgenössische Musik aus den Pop-, Rock- oder Indie-Genres. Das ist also auch keine Ausrede, die Serie nicht zu gucken ;-)
Paula Ehrenheim