In der Gruppenausstellung „The F-Word“ in der Zürcher Shedhalle beschäftigt sich Michaela Melián mit Fragen der Aktualität und Geschichte von feministischen Positionen in der Kunst.

Foto / Michaela Melián: Sarah Schumann und Silvia Bovenschen, 2012 (Videostill, in Missy 02/12 leider nur beschnitten zu sehen gewesen)

 

Wie hast du das Konzept für deinen Beitrag zur Ausstellung gefunden?

Ich habe lange überlegt und bin dann zum Schluss gekommen, dass ich eine neue Arbeit produzieren möchte. Gleichzeitig war es mir aber wichtig, Leute zu präsentieren, die einen essenziellen Beitrag zur feministischen Debatte geleistet haben. Da ich die Literaturwissenschaftlerin Silvia Bovenschen schon länger kannte und sie über Jahre hinweg immer wieder besucht habe, wollte ich gerne etwas über die von ihrer Freundin, der Künstlerin Sarah Schumann, 1977 mitorganisierte Ausstellung „Künstlerinnen international 1877–1977“, machen. Ich habe das zum Anlass genommen, um mit ihnen über Feminismus und die Biografie, die Sarah  Schumann und Silvia Bovenschen (auch) als Paar haben, zu sprechen. Das hat auch etwas mit dem Durchsetzen von bestimmten Sachen zu tun. Aber das eigentliche Thema ist, warum man von dieser Ausstellung heute gar nichts mehr weiß. Immerhin handelt es sich um die erste Kunstausstellung mit ausschließlich weiblicher Beteiligung in ganz Europa! An dieser Ausstellung nahmen 265 Künstlerinnen von Louise Bourgeois und Martha Rosler über Valie Export bis zu Gabriele Münter teil. Die Organisatorinnen sind – unter einem unglaublichen Aufwand – durch die ganze Welt gefahren und haben die Arbeiten sogar persönlich abgeholt. Natürlich begleitet – was ja typisch für diese Zeit war – von vielen Podiumsdiskussionen und Selbstzerfleischungsprozessen.

Wie sieht deine Arbeit konkret aus?

Ich habe Schumann und Bovenschen vier Mal in ihrer Berliner Wohnung stundenlang interviewt und dann für meine Audio- und Videoinstallation eine einstündige Strecke geschnitten, in der die beiden die Geschichte dieser Ausstellung erzählen und auch darüber reflektieren, wie diese damals wahrgenommen wurde. Und auch, was genau passiert ist und warum sie eben nicht in den Kanon eingegangen ist. Das führte mich zu den Überlegungen: Was sind denn grundsätzlich die Errungenschaften des Feminismus, wie werden sie überhaupt weitergegeben? Die Ausstellung hatte ja die Aufgabe – und das ist auch gleichzeitig der Tenor unseres Gespräches –, eine Traditionslinie überhaupt für Frauen, für Künstlerinnen herzustellen. Die Intention der Ausstellung war, dass man auch mal andere Vorbilder als Männerkünstler haben oder kennenlernen könnte. Die Krux des Feminismus ist oft, dass etwas erreicht wird, aber sofort wieder von der nächsten Generation vergessen wird. Man sollte diese Errungenschaft eben nicht als gegeben annehmen, weil diese auch ganz schnell wieder wegbrechen können. Silvia Bovenschen spricht in diesem Zusammenhang von „weiblicher Geschichtslosigkeit“.

In deinen Werken beschäftigst du dich oft mit von der offiziellen Geschichtsschreibung „vergessenen“ Positionen. Hier ging es dir also explizit um eine feministische Genealogie?

Ich wollte für die Ausstellung, die ja den Titel „F-Word“ trägt, nicht nur selbst ein cooles Statement abgeben. Sondern eine Tür aufmachen für Leute, die etwas erzählen können, was man eigentlich wissen könnte. Aber es sollte nicht nur über das Gestern geredet werden, sondern sich auch im Heute spiegeln. Ich habe z. B. das neue Buch „Top Girls“ von Angela McRobbie mitgebracht. Es ist ein Besuch bei einer Generation von Aktivistinnen, die den heute diskutierten Feminismus mitprägten. Und es ist ein Besuch bei zwei Akteurinnen, die mit ihren Texten und Bildern immer noch für eine öffentliche Wahrnehmungsverschiebung eintreten.

Interview: Pascal Jurt, erschienen in MISSY MAGAZINE 02/12

// „The F-Word“ Nevin Aladag, Ariane Andereggen, Alexandra Bachzetsis, Michaela Melián // 12. Mai–22. Juli 2012, Shedhalle Zürich