Team populäre Unterhaltung: Fernsehserie „Friends“
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Ich habe zu meinem letzten Geburtstag alle Staffeln der US-amerikanischen Serie „Friends“, die von 1995 bis 2005 im deutschen Fernsehen lief, geschenkt bekommen. Da ich mir die Folgen nach und nach angeschaut habe und nun bereits bei Staffel acht bin, bin ich auf die Idee gekommen, über die Gender-Aspekte dieser Serie zu schreiben. Denn es ist einerseits so, dass sehr viele Stereotype bedient werden, andererseits werden jedoch auch viele traditionelle Geschlechtervorstellungen durchbrochen.
Die Serie handelt von sechs New Yorker FreundInnen und ihrem Alltagsleben. Es sind drei Frauen, Phoebe Buffait, Monica Gellar und Rachel Green, sowie drei Männer, Ross Gellar (Monicas Bruder), Joey Tribbiani und Chandler Bing.
Ich werde verschiedene Folgen aus den 10 Staffeln näher anschauen, natürlich sind das nicht alle, die sich mit Gender beschäftigen, aber doch die, bei denen mir einige vorherrschende Gender-Aspekte besonders aufgefallen sind. Auffallend ist, dass oftmals Klischees und Vorurteile bedient und untermauert werden, aber ebenso werden manche Klischees unterminiert und aufgelöst.
Zu Thanksgiving spielen die sechs FreundInnen Football (S3F9), weil Monica und Ross dies in ihrer Kindheit ebenfalls taten. Damals spielten sie um den „Gellar-Cup“. Dieser wurde jedoch von den Eltern verboten und die Trophäe im See versenkt, weil Monica und Ross sich beim Spielen gegenseitig so sehr zusetzen und beide brutal um den Sieg spielten. Interessant hierbei ist, dass es sich um Football handelt, die „Männersportart“ schlechthin in den USA, und Ross und Monica jedoch gleich gut spielen. Im weiteren Verlauf der Folge spielen die Frauen gegen die Männer, Monica und Phoebe spielen recht ernsthaft, Rachel steht nur daneben, weil sie nicht fangen und werfen kann, ein weiteres Frauenklischée, das hier bedient wird. Ross und Chandler spielen ebenfalls sehr ernsthaft und Joey lässt sich ständig von der attraktiven Zuschauerin ablenken. Einerseits ist dies ein Klischee, welches hier aufgegriffen wird, nämlich, dass Männer schönen Frauen ständig hinterher schauen, jedoch ist es auch so, dass die Eigentschaft, dass sich Joey schnell vom Geschehen ablenken lässt, eine ist, die häufig Frauen zugeschrieben wird.
In einer anderen Folge versucht sich Chandler das Rauchen abzugewöhnen (S3F18). Er bekommt eine Hypnose-Kassette von Rachels Freundin ausgeliehen. Das Problem an der Sache ist, dass der Text, den sich Chandler im Schlaf anhört, lautet: „Du hast es nicht nötig zu rauchen – (…) du bist eine starke, selbstbewusste Frau“ (Friends, Staffel 3, Folge 18). Diese Kassette hört er sich mehrere Nächte hintereinander an, er hört auch tatsächlich auf zu rauchen, fängt jedoch auch an, sich wie eine Frau zu verhalten. Interessant ist hierbei, welche Vorstellung die AutorInnen haben, was eine Frau ausmacht bzw. wie sich eine Frau verhält. So fängt er plötzlich an, eine Tasche mit sich herumzutragen und frägt Rachel und Monica nach einem Fettstift, den er auch so benutzt, wie Frauen Lippenstift auflegen. Er malt sich die Lippen an und nimmt ein Papiertaschentuch zwischen die Lippen, um die überschüssige Farbe abzunehmen. Außerdem möchte er sich von Rachel eine Bluse leihen, die ihm gefällt und gestikuliert dazu, wie man es von einer Frau erwarten würde. Insgesamt ist sein gesamtes Gebaren sehr „weiblich“ bzw. so, wie man oftmals im Fernsehen einen „typischen Homosexuellen“ klischeehaft vorgestellt bekommt. Er stemmt die Hände in die Hüften, gestikuliert viel mit seinen Händen passend zum Sprechen und hat auch einen besonderen hüftbetonten Gang. Als Monica im weiteren Verlauf der Folge ein Date hat und Rachel sich darüber so sehr freut, dass sie durch die Wohnung hüpft, schließt sich Chandler an, was man als eher untypisches Verhalten für einem Mann bezeichnen könnte. Bevor Monica geht, gibt er ihr noch den Tipp, dass sie ihrem Date selbst dann nichts schuldig ist, wenn er das Essen bezahlt, dies sagt er auch in einem für Männer sehr untypischen Ton. Als das Date dann an der Tür steht und alle Freunde in der Wohnung stehen und ihn gespannt betrachten, fängt Chandler an zu kichern „wie ein Mädchen“. Am Ende findet Joey heraus, was mit Chandler los ist und bespricht die Kassette mit seinem Mantra, nämlich jenem, dass Joey sein bester Freund sei und er (Chandler) ihm jeden Morgen das Frühstück machen soll und dass er ihm die Jeans, die ihm so gefiel, aber sehr teuer war, kaufen soll. Interessant hierbei ist, dass das Klischee, dass sich Männer nicht so viel aus Kleidern machen wie Frauen, durchbrochen wird. Denn offenbar ist das erste, was Joey einfällt, was ihm Chandler kaufen könnte, ein Kleidungsstück.
In der vierten Staffel gibt es eine Folge, in der Joey dem Hausmeister den Paartanz beibringt (S4F4). Die FreundInnen machen sich natürlich darüber lustig, weil zwei Männer zusammen tanzen und Joey vor allem nicht derjenige ist, der führt. Er bekommt den Part der Frau. Irgendwann reicht es Joey jedoch und er verteidigt sich. Er deklariert das Tanzen als männlichen Sport. Hier ist es interessant, dass er das Tanzen vor sich selbst als Sport rechtfertigen muss, damit er mit seiner männlichen Identität im Reinen ist. Denn „richtige Männer“ machen Sport, sie tanzen nicht einfach nur.
In Staffel 4 gibt es ebenfalls eine Folge mit einer kleinen Anspielung auf Geschlechterrollenvorstellungen (S4F6). Phoebe und Monica nehmen ein paar kleine Catering-Aufträge an. Da Monica Köchin ist, übernimmt sie die Planung der Speisen und kocht auch. Phoebe kümmert sich um Organisatorisches. Als sie an einer Beerdigung sind, weigert sich die Frau des Verstorbenen zu bezahlen. Monica traut sich nicht, sie anzusprechen, somit kümmert sich Phoebe darum, das Geld einzutreiben. Sie kommentiert dies mit den Worten: „Das ist wie in einer Ehe, eine kocht, der andere bringt das Geld rein!“ (Friends, Staffel 4, Folge 6). Dies bedient die traditionelle Vorstellung, die allgemein in der Gesellschaft noch immer vorherrscht und die noch immer von vielen Paaren gelebt wird. Der Mann geht arbeiten und bringt das Geld heim, die Frau bleibt zu Hause, kümmert sich um den Haushalt und die Kinder.
Auch gegen Ende der Staffel gibt es eine lustige Anspielung (S4F23). Oft wird postuliert, Frauen seien eher unfähig, eine Straßenkarte oder einen Stadtplan zu lesen. Dieses Klischee wird unterlaufen – und zwar von Joey. Er versucht einen Stadtplan von London zu lesen und kommt damit überhaupt nicht klar. Dies ist ungewöhnlich, denn gemeinhin gilt die Vorstellung, dass Männer keinerlei Probleme haben, einen zweidimensionalen Plan auf ein dreidimensionales Gebiet zu übertragen. Ganze Bücher gibt es dazu, wie unfähig die Frauen und wie fähig die Männer diesbezüglich seien (vgl. Pease&Pease). Joey löst dieses Problem auf seine Art, er dreht den Stadtplan so lange, bis er zu seinem Standpunkt passt (Norden ist also nicht mehr oben) und stellt sich auf den Plan auf seinen Standort. Dies wiederholt er in der Folge des Öfteren, um sich zu orientieren. Gerade dieses Drehen der Landkarte gilt als „typisch Frau“ und hier unterminieren dies die AutorInnen, indem sie einen Mann sich so verhalten lassen.
In der fünften Staffel arbeitet Rachel bei Ralph Lauren (S5F13), Joey bittet sie, ihn einzukleiden, damit er für ein Vorsprechen gut aussieht. Bei Ralph Lauren gibt es zu dieser Zeit Handtaschen für Männer und Rachel gibt Joey eine solche mit. Joey findet diese Tasche so toll und praktisch, dass er sie fortan ständig mit sich herumträgt. Die anderen zwei Jungs fangen schließlich im Verlauf der Folge an, sich über Joey lustig zu machen. Joey sagt zum Beispiel: „Diese Tasche wird mir zur Rolle verhelfen!“ darauf entgegnet Chandler „…eher zu einem Mann…!“ (Friends, Staffel 5 Folge 13). Diese Aussage impliziert, dass nur Frauen Handtaschen tragen und Männer eigentlich nur dann, wenn sie schwul sind. Denn schwul wird von vielen Menschen gleichgesetzt mit „nicht männlich (genug)“.
Eine Ansicht, die in der Gesellschaft sehr verankert ist, ist die, dass der Mann der Frau einen Heiratsantrag macht und nicht umgekehrt. Auch diese Vorstellung wird in einer Folge thematisiert (S6F25). Durch einige Verwicklungen kann Chandler seinen romantischen Heiratsantrag nicht so durchführen, wie er es geplant hatte. Es geht sogar so weit, dass Monica beinahe zu ihrem Exfreund zurückgeht, weil sie glaubt, Chandler wolle nicht heiraten. Nur durch Joey erfährt sie von Chandlers Vorhaben und nimmt ihm die Planung des Heiratsantrages ab und überrascht ihn mit Kerzen, Musik und einem romantischen Essen. Sie kniet sogar vor ihm nieder und will die alles entscheidende Frage stellen. Leider bricht sie ihn Tränen aus und untermalt dies mit den Worten „kein Wunder, dass das Männersache ist“ (Friends, Staffel 6 Folge 25). Chandler übernimmt natürlich sofort und stellt Monica die „Frage aller Fragen“, ob sie ihn heiraten will. Meiner Meinung nach wird hier das Vorurteil bedient, Frauen seien im Allgemeinen zu emotional, um schwerwiegende Entscheidungen überhaupt treffen zu können und daher müssen Männer mit ihrem rationalen Verstand den Frauen unter die Arme greifen. Außerdem wird ebenjene Vorstellung, die bereits erwähnt wurde, verstärkt, dass Männer für die Heiratsanträge zuständig seien.
In der siebten Staffel versucht Phoebe Rachel davon zu überzeugen, dass sie wieder mit ihr zusammenwohnen soll und bei Joey ausziehen soll (S7F10). Sie versucht es in vielerlei Hinsicht und unter anderem damit, dass sie Joey im Glauben, er würde Spinnen mögen, weil er ein Mann ist, eine Tarantel schenkt. Joey rastet jedoch wider Erwarten Phoebes vollkommen aus und hat unglaublich Angst vor der Tarantel. Rachel jedoch, von der Phoebe geglaubt hatte, dass sie das „Frauenklischee“, dass Frauen Spinnen nicht mögen, bedienen würde und panische Angst vor ihnen haben würde, findet die Tarantel klasse und will sie sofort behalten. Sie hatte bereits als Kind eine Spinne, die dann aber von ihrer Katze gefressen wurde. Dies ist ein Beispiel für die Voreingenommenheit gegenüber Frauen, dass sie generell Angst vor Spinnen haben, panisch reagieren, wenn sie eine sehen und einen „starken Mann“ brauchen, der sie vor der Spinnen „rettet“. Hier hat jedoch der „starke Mann“ panische Angst vor Taranteln, somit ist dies ein erneutes Beispiel, wie bei Friends Klischees und Vorurteile unterlaufen werden.
In dieser Staffel war eine weitere Folge nur so gespickt mit Anspielungen auf Geschlechterunterschiede und Geschlechterstereotype (S7F22). In dieser Folge darf Rachel nicht mit Monicas Porsche fahren, alle anderen jedoch schon. Die Begründung dafür ist, dass Rachel nicht Autofahren kann. Es stellt sich bald heraus, dass es aber nicht daran liegt, dass sie womöglich nicht einparken kann und Dellen reinfahren könnte, sondern, dass Rachel einfach viel zu schnell und unverantwortlich fährt. Die Raserei wird gemeinhin den Männern zugeschrieben, Ross jedoch ist genau das Gegenteil, er fährt auf dem Freeway 37 Km/h und bekommt dafür einen Strafzettel, während Rachel jedoch einen für das zu schnelle Fahren bekommen sollte. Sie schafft es jedoch mit der typischen Masche, die angeblich viele Frauen für sich anwenden, und fängt an, mit dem Polizisten zu flirten. Es klappt, er lässt sich einfangen und erspart Rachel ihren Strafzettel. Ross versucht es mit der gleichen Masche, scheitert jedoch kläglich. Ein weiterer Moment, in dem Geschlecht dramatisiert wird, ist der, als Joey Phoebes neuen Freund kennenlernt und schnell merkt, dass dieser Frauenunterwäsche trägt. Er spricht Phoebe darauf an und die antwortet ihm, dass sie und ihr Freund aus Spaß die Unterwäsche getauscht haben und es ihm gefällt, weil ihre Unterwäsche sehr bequem ist. Sie sagt jedoch auch, dass es für Joey nichts wäre, da er kein 100%iger Mann sei und nur ein 100%iger Mann es sich leisten könnte, Damenunterwäsche zu tragen, eben weil er ein richtiger Mann ist. Joey macht sich jedoch gleich daran und klaut sich ein Seidenhöschen von Rachel, seiner Mitbewohnerin. Er erkennt schnell die Vorzüge von Damenunterwäsche, die verschiedenen Modelle und Materialien hält sie für vorteilhafter als Männerunterwäsche, betont jedoch, dass er immer noch ein richtiger Mann ist und mit seiner Männlichkeit im Reinen ist. Während er Phoebe von den Vorzügen erzählt, schweift er derartig ab, dass er ebenfalls die Vorzüge von Strumpfhosen und Overknee-Strümpfen hervorhebt. Dies lässt ihn und Phoebe jedoch stutzen, da er offenbar in ihrer Vorstellung doch nicht 100%ig männlich ist, wenn er auch noch auf Strumpfhosen steht. Somit hat sich das mit der Damenunterwäsche bei Joey sehr schnell erledigt.
In dieser Folge taucht zum ersten Mal Chandlers transsexueller Vater auf. Er ist der Star einer Varieté-Show in Las Vegas und Monica und Chandler besuchen ihn in der Show, um von ihrer Verlobung zu erzählen. Mit dem Thema Transsexualität wird im Grunde nicht herablassend umgegangen, sondern eher positiv. Es ist jedoch so, dass auf die Problematik dergestalt hingewiesen wird, dass Monica sich nicht sicher ist, ob sie ‚sie‘ oder ‚er‘ sagen soll, wenn sie von Chandlers Vater spricht.
In der achten Staffel (S8F13) versucht Monica ihrem mittlerweile Ehemann Chandler das entspannende Baden näherzubringen. Sie richtet ihm das Bad mit Kerzen, Blumen, gedämmten Licht, Enspannungsmusik und Duftölen. In das Badewasser gibt sie Schaumbad, Duftöl und Badesalze. Chandler ist jedoch nicht zu 100 Prozent überzeugt, ob er sich darauf einlassen soll, da er das ganze viel zu weiblich findet und im Allgemeinen derartiges Baden als sehr weiblich angesehen wird. Das Vorurteil: Männer gehen schnell duschen und Frauen pflegen sich über Stunden im Bad. Dies greifen die AutorInnen auch auf und haben es in der Folge verarbeitet. Sie haben aber auch einen Weg geschaffen, wie man Chandler zum entspannten Baden bringen kann. Monica hält ihm ein Modell-Marineschiff vor die Nase, das er zum Baden mitnehmen darf. Chandler nimmt diesen Vorschlag sogleich an und lässt sich auf das Bad ein, weil es nun „ein männliches Bad“ ist und „weibliches mehr“ (Friends, Staffel 8 Folge 13).
Insgesamt lässt sich über die Serie Friends sagen, dass sehr viele Klischees aufgegriffen, jedoch polemisiert und ironisiert werden. Oftmals verhalten sich die Männer der Serie nicht so, wie sie sich als „echte“ Männer verhalten sollten und legen ein eher weiblich konnotiertes Verhalten an den Tag, das man gerne in der Gesellschaft als „nicht männliches Verhalten“ bezeichnet. Sie tragen Handtaschen, schminken sich und cremen sich ein, sie nehmen ein Bad mit Kerzen und Duftölen. Außerdem schließen sie sich liebend gerne dem Klatsch und Tratsch der Mädels an. Auch die Frauen verhalten sich manchmal eher männlich oder wie es von Männer erwartet und von Frauen nicht erwartet wird, sie spielen Football und schauen gerne Football. Phoebe beispielsweise schläft mit mehreren Männern und ruft am nächsten Tag nicht an, nachdem sie sich nachts aus dem Staub gemacht hat und hat auch kein Problem, jemanden anzuschreien oder gar zu verprügeln. Rachel zum Beispiel kann segeln und besaß auch mal ein eigenes Boot.
Aber auch in dieser Serie werden wie in vielen anderen deutschen, britischen und US-amerikanischen Serien viele Klischees und Vorurteile bezüglich Frauen und Männern aufgegriffen und übertrieben dargestellt. Man hat fast den Eindruck, dass gerade die Komik in vielen Folgen nur durch dieses verzerrte Darstellen von männlichem und weiblichem Verhalten transportiert werden kann und die Serie ohne sie nur halb so lustig wäre. Andererseits gibt es genauso viele Folgen, in denen Geschlecht kein Thema ist und nicht derartig dramatisiert wird wie in anderen Folgen und auch diese Folgen sind sehr lustig und tragen zur Erheiterung bei. Daher ist es meiner Meinung nach nicht nötig, dass man Geschlechterstereotype derartig hervorhebt und thematisiert, wie es in dieser Serie doch recht häufig vorkommt. Denn es besteht immer das Problem, dass man solche vorgesetzten Vorstellungen von Autorinnen und Autoren als Realität missversteht und nicht mehr unterscheiden kann und denkt, dass die Realität eben genau so aussähe.
Von: angelina alabama