Was: Ballet national de Marseille

Wann: Samstag, den 5. Mai 2012

Wo: Theater Burghof, Lörrach

Ein Tanzabend im Rahmen des Tanzfestivals “Steps“ mit Choreographien von Frédréric Flamand, Emanuel Gat und Lucinda Childs.

Das Ballet National de Marseille ist nach dem Ballet de l’Opéra in Paris das grösste Tanzensemble Frankreichs. Früher klassische Danse d’école; heute unter dem Belgier Frédréric Flamand tanzt das Ballett Werke zeitgenössischer ChoreographInnen.

Das Programm beinhaltet drei Stücke von den drei oben erwähnten ChoreographInnen. Das erste von Flamand. Die Choreographie ist erfindungsreich und sehr anziehend: Spiegelspiele, Lichtspiele, aufgenommene Bilder werden aus verschiedenen Blickwinkeln auf Leinwände projiziert. Das Ganze gibt einen Eindruck von Leichtigkeit, die Tänzerinnen scheinen in der Luft zu schweben, sich zu entfernen oder sich zu nähern, ohne jegliche Kraftanwendung. Die Tanzmuster des klassischen Balletts bleiben aber immer noch bestehen. Obwohl die Tänzerinnen und die Tänzer die typische, klassische „Tanzuniform“ abgelegt haben, entsprechen ihre Kostüme dem gängigen, zweigeschlechtlich konnotierten Kleidungsgebrauch. Vielleicht ist der Unterschied unauffälliger geworden, aber er reicht aus, um sofort eine klare Trennung zu markieren.

Obwohl die präzis gebaute Bewegungskompositionen der zweiten Choreographie von Emanuel Gat, in denen Farben und Kleidungsstücke fast neutral erscheinen, keine evidenten Unterschiede in den Bewegungen und Tanzschritten der Tänzerinnen zeigen, tauchen plötzlich und blitzartig kategorisierende Muster auf, die uns erstaunen und täuschen.

Ganz klar fällt das klassische, zweigeschlechtlich konnotierte Tanzmuster auch in der dritten Choreographie von Lucinda Childs auf. Sie hat uns das Beste für diesen Samstag gezeigt, aber die Paare zeigten uns keine Schritte, die das alte Muster hätten brechen können. Obwohl auch grosse, kräftige Tänzerinnen auf der Bühne erschienen, wurden für sie noch grössere, noch stärkere Tänzer aufgestöbert, die das „sakrale“, asymmetrische Bild eines Menschenpaares wiedergeben konnten.

Wo hat man sie, die adonischen, kolossalen Tänzer, übrigens gefunden?

Die Tänzerinnen mussten ihre Kraft fast verbergen, um einen Eindruck von Leichtigkeit und Harmonie zu erwecken. Die Tänzer mussten ihre Stärke zur Schau stellen, ihre Bewegungen waren immer schneller, zackiger, als ob sie die Luft in tausend Stücke hätten zerfetzen wollen.

Keine Neuigkeiten, sondern grosse Disziplin, perfekte Ausführung: im Grossen und Ganzen angenehm, aber ein wenig langweilig.

 

Egle R