Die Diplomatenfalle oder Wie bleibe ich FeministIn*
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Mein Praktikum absolviere ich gerade an einer Auslandsvertretung des Auswärtigen Amts. Dabei kommt natürlich des Öfteren die Frage auf, ob ich mir vorstellen könnte, eines Tages hauptberuflich für das Auswärtige Amt tätig zu sein. Warum nicht? Einblicke in die verschiedenen Bereiche der Diplomatie zu bekommen kann nur bereichernd sein. Und alle vier Jahre in einem komplett neuen Land zu leben, damit hätte ich auch kein Problem. Es wäre ja nicht ganz ungewöhnlich für mich.
Aber eine wichtige Frage stellt sich dann doch immer wieder, und zwar nicht nur mir, sondern allen, die eine solche Karriere anstreben: Zieht mein/e Partner/in mit? Und wenn ja, was wird er/sie machen?
Im Ausland einen Job zu finden, der der eigenen Qualifikation entspricht, ist gar nicht so einfach, besonders dann nicht, wenn man die Landessprache nicht spricht. Außerdem ist eine Arbeitserlaubnis auch nicht immer eine Tatsache. Somit ist es relativ wahrscheinlich, dass Ehepartner von Diplomaten oft für viele Jahre selten oder gar nicht einer bezahlten Arbeit nachgehen können. Karriere machen kann man dann vergessen.
„Ja, früher war das alles einfacher!“, sagt der Chef, der schon einige Jahrzehnte dabei ist. „Da waren in den wichtigen Posten fast nur Männer. Die Ehefrauen blieben daheim, sorgten für die Kinder und kümmerten sich um die Gastfreundlichkeit bei den Empfängen. Da war das noch sozial anerkannt!“
Die gute alte Zeit? Bestimmt nicht! Heute ist es normal, dass auch Frauen im Auswärtigen Amt angestellt sind (wenn auch immer noch nicht sehr zahlreich im höheren Dienst). Mit ihren Ehemännern, sofern vorhanden, werden sie sich also arrangiert haben. Aber ein einfacher Schritt wird das nicht gewesen sein.
Warum ich das erwähne? Nun, eine binationale Beziehung kann einem auch manchmal vorkommen wie eine Diplomatenehe. Ich habe ja bereits erwähnt, wie schwierig es ist, sesshaft zu werden und dass man oftmals keine Wahl hat, in welches Land man ziehen muss. Hinzu kommt, wie in meinem letzten Artikel deutlich wurde, dass einige Staaten das Modell der Versorgerehe durch ihre Immigrationspolitik quasi unterstützen bzw. sogar voraussetzen. Da ist eine große Kompromissbereitschaft der Partner gefragt, oftmals aber insbesondere von einem Teil der Beziehung. Der/die Diplomat/in macht Karriere, der/die andere nicht. Der/die Einheimische findet sich schnell zurecht, der/die Zugezogene nicht. Die/der Eine kann ihre/seine Pläne verwirklichen, der/die Andere muss sich mehr oder weniger anpassen.
Wenn Männer diesen größeren Kompromiss eingehen, finde ich das bewundernswert. Ich finde sie mutig, loyal und unglaublich progressiv. Ich selbst… schäme mich manchmal ein bisschen. Oft habe ich das Gefühl, mich verteidigen zu müssen. Nein, ich stelle meine Ansprüche nicht hinten an. Nein, ich verzichte nicht auf berufliche Chancen, weil der Mann es so will. Je größer der Kompromiss, desto schwieriger wird es, ihn zu legitimieren. Dabei stelle ich fest: die größte Kritikerin bin ich selbst. Schließlich bin ich Feministin. Da kann man nicht das nette Frauchen sein, das dem Männe immer hinterreist und ihm den Lebenswandel so angenehm wie möglich macht, während er die ganzen Lorbeeren einheimst. Ein Ruf verpflichtet. Oder so.
Vielleicht muss ich mir aber auch eingestehen, dass mir Karriere machen eben einfach nicht so wichtig ist. Klar habe ich Ambitionen, klar gibt es viele tolle und wichtige Sachen, die ich unbedingt noch machen will. Die wenigsten davon passen allerdings in das übliche Schema von „Karriere machen“, denn es geht mir nicht darum, mich „hochzuarbeiten“, um eines Tages mehr Macht zu haben oder viel Geld zu verdienen. Denn wenn ich ehrlich bin, finde ich es eigentlich gar nicht schlimm, dass ich etwas länger studiert habe als die meisten, dass mein Lebenslauf eher bunt und nicht sehr geradlinig ist, und dass ich eben lieber mehr Zeit für meine Hobbies hätte (zum Beispiel Bloggen…) als für Überstunden. Ich könnte mich mehr politisch engagieren, Projekte organisieren und unterstützen und mehr lesen. Das würde mich nicht zu einer schlechteren Feministin machen, sondern eventuell sogar zu einer besseren.
Aber natürlich sind mit dieser Einstellung auch deutliche Risiken verbunden: die finanzielle Unabhängigkeit ist nicht mehr unbedingt gewährleistet; wer weniger arbeitet, wird automatisch verantwortlich für Haushalt und Kindererziehung; die eigene Arbeit, bezahlt oder nicht, wird sozial kaum anerkannt. Klingt nicht sehr feministisch.
Was bleibt, ist das ungute Gefühl, als Frau keine wirkliche Wahl zu haben, wenn man nicht in das eine oder andere Klischee hinein gepresst werden will. Dieses Problem betrifft natürlich viele Frauen (und auch immer mehr Männer), unabhängig davon, ob sie eine Diplomatenehe oder eine binationale Partnerschaft führen, nur dass in diesen Fällen die Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Rollenbild eben schon oft sehr viel schneller und radikaler getroffen werden muss. Und auf einmal sieht sich selbst die progressivste Beziehung damit konfrontiert, ein Abbild traditioneller Bürgerlichkeit zu werden.
Die Diplomatenfalle schnappt oft schneller zu als man denkt und es braucht einiges an Selbstreflexion und partnerschaftlicher Diskussion, um sich nicht schließlich selbst zu verlieren. Ach ja, und ein bisschen mehr staatliche Flexibilität wäre auch nicht schlecht…
* Den Untertitel habe ich natürlich von der fabelhaften Marlene Streeruwitz geklaut.