„Im Kopf waren wir schon in Deutschland“
Von
Das Goethe-Institut beschäftigt sich gerade intensiv mit dem Thema „Migration und Integration“ und hat dazu eine Präsentation ins Netz gestellt, in der verschiedene persönliche Geschichten von (zukünftigen) MigrantInnen vorgestellt werden. Die meisten von ihnen hoffen auf die Familienzusammenführung. Auch wenn sich die Einleitung ein bisschen so liest, als wären die Texte nur als Werbung gedacht für die obligatorischen Integrationskurse des Instituts, so findet sich doch einiges an Kritik in den unterschiedlichen Erfahrungen, was mich ehrlich gesagt auch sonst sehr überrascht hätte. Hier sind einige Auszüge:
„Roman ist angekommen, er fühlt sich in Deutschland zu Hause. Anders Aida: „Ich bin Kasachin. In Kasachstan war ich zu Hause. Jetzt bin ich Chinesin.“ Sie spielt darauf an, dass viele Deutsche asiatisch aussehende Menschen automatisch für Chinesen halten und keine Vorstellung von ihrer Heimat haben. Bislang hat Aida auch noch keine Freunde in Deutschland gefunden. Es bleibt ihr einfach nicht genügend Zeit, sich darum zu kümmern, denn ihr Tag ist ausgefüllt mit Sprachkurs, Haushalt und Kindererziehung. Sie freut sich auf das Ende des Kurses. Danach will sie studieren, da ihr Diplom als Juristin in Deutschland nicht anerkannt wird.“ (Aida und Roman)
„Ein Visum für Deutschland, das hieß im Klartext: Kurs- und Prüfungsgebühren, Miete für eine Wohnung in Bangkok, Gebühren für Papiere, Beglaubigungen, Übersetzungen, Sondergenehmigungen und das Ehefähigkeitszeugnis – unterm Strich ein Betrag von mindestens 2000 Euro. Ganz zu schweigen von der Zeit und den Nerven, die dies alles kostete.“ (Orakit)
„Von der Prüfung hängt momentan mein ganzes Leben ab“, sagt Mia traurig. Das Scheitern beim ersten Versuch hat sie sehr getroffen, da sie so schnell wie möglich zu ihrem Mann Faruk nach Deutschland wollte. Um ihre Sehnsucht etwas zu lindern, fuhr sie trotzdem zu ihm nach Stuttgart – mit einem Touristenvisum – und blieb zwei Monate. (Mia)
„Aus der geplanten Hochzeit in Deutschland wurde erst einmal nichts, die Deutsche Botschaft in Mali durfte die notwendigen Urkunden nicht legalisieren. Kurz entschlossen heirateten sie deshalb in Dänemark. Nach einem Bürokratie-Marathon in Mali erhielt Moussa ein zeitlich begrenztes Visum für Deutschland. […] Durch eine Gesetzesänderung können Ehegatten, die in Dänemark geheiratet haben, ihre Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr von Deutschland aus beantragen, sondern müssen dies von ihrem Heimatland aus tun. Moussa flog also wieder nach Mali, Katy konnte ihn zeitweise besuchen. Nun begann das bislang größte Abenteuer in ihrer gemeinsamen Geschichte. Zuerst erkannte die Deutsche Botschaft die Abschrift von Moussas Geburtsurkunde nicht an. Weil das Original während des Bürgerkriegs verbrannt war, war auch die Abschrift nicht mehr gültig, denn deren Echtheit konnte nicht mehr festgestellt werden. In letzter Minute erinnerte sich Katy an ein Dokument – alt, abgegriffen, kaum lesbar –, das sie in Deutschland gelassen hatten. In Hamburg durchsuchte Katys Familie fieberhaft Moussas Sachen und fand das Dokument schließlich.“ (Moussa & Katy)
Es lohnt sich, die unterschiedlichen Geschichten durchzugehen, denn man bekommt ein sehr gutes Gespür für die Lebenssituation binationaler Paare: ein ambivalentes Gemisch aus Bürokratie, Sehnsucht, Angst und Erleichterung.