Eine gut ausgebildete Frau hat einen hochdotierten und sehr anspruchsvollen Job in der Führungsebene der US-amerikanischen Regierung, für den sie extrem viel arbeiten muss und oft nur am Wochenende nach Hause kommt. Ihr ist die Belastung allmählich zu groß, ausserdem hat sie Ehemann und zwei Kinder im Teenageralter, die sie gern öfter sehen würde. Sie kündigt, nimmt eine weniger stressige Stelle an und ist jetzt, äh, „nur“ noch Vollzeit Professorin in Princeton. Aus dieser Erfahrung schliesst sie vor allem zwei Dinge: erstens, dass sie für alle Frauen sprechen kann und zweitens: Frauen können nicht alles haben. Also veröffentlicht sie den Text ‚Why women still can’t have it all‘, in dem sie dann natürlich auch Feminist_innen kritisiert, weil die ja bekanntlich sagen, dass Frauen alles haben müssen.

Ja, das ist so ein Quatsch wie es sich anhört und ja, leider ist es trotzdem wahr. Ihre Aussagen wurden auch von der deutschsprachigen Press  freudig aufgegriffen um sich nochmal zu bestätigen, dass Frauen gefälligst nicht zuviel erwarten sollten (etwa von der ‚Zeit‘ mit dem viel verratenden Titel: ‚Wenn Frauen auf die Macht verzichten‚). Die Frau heisst Anne-Marie Slaughter und ihren Text in ‚The Atlantic‘ ist hier zu finden. (Er ist übrigens in einigen Teilen durchaus intelligent und lesenswert.)

Es gibt bereits ein paar sehr gute Kritiken dieser streckenweise unsinnigen Aussagen. Hervorzuheben sind besonders die von Helga bei der ‚Mädchenmannschaft‘ oder die von Tanja Rest in der ‚Süddeutschen Zeitung‘. Hier eine kurze Liste der wichtigsten Argumente:

– Die Erfahrungen einer einzelnen Frau sind äußerst selten auf alle Frauen zu verallgemeinern. Beispielsweise sind die Erfahrungen einer weißen, erfolgreichen Akademikerin in einer heterosexuellen Ehe meist sehr spezifisch für genau diese Situation.

– Natürlich behaupten sie meisten Feminist_innen nicht, dass Frauen „alles“ haben müssen oder gar sollen. Vielmehr fragen viele Ansätze, was Erfolg und Macht eigentlich sind. Und vom wem sie definiert werden.

– Es bestehen Unterschiede in der Rezeption Slaughters Artikel: Sie meint mit Nicht-Alles-Haben-Können ihre Stelle als Professorin. In vielen deutschsprachigen Debatten wird unter weiblichen Nicht-Alles-Haben-Können oft Minijobs, Teilzeitarbeit, geringe Aufstiegschancen oder unbezahlte Care-Arbeit verstanden.

– Zeitintensive Jobs, die kaum mehr ein Privatleben zulassen, sind für den Großteil der Menschen ein Problem, und zwar für Männer wie Frauen wie Trans*. Es handelt sich also bei der sogenannten ‚Vereinbarkeit‘ nicht um ein Frauenthema.

– Arbeitsbedingungen sind keine Naturgewalt. Sie können verändert werden.

– Das ist so mathematisch-logisch wie banal: Niemand kann alles haben. Es ist allerdings möglich, Dinge so zu verteilen, dass alle ungefähr gleichviel haben oder jede_r zumindest soviel, wie es seinen_ihren Bedürfnissen entspricht. Eine gerechtere Verteilung wäre doch ein besseres Ziel als zu erwarten, allein „alles“ (whatever that genau means) zu bekommen.