cc Michael Hardy

 

Vor wenigen Tagen erreichte uns die traurige Nachricht vom Tod Shulamith Firestones, die im Alter von nur 67 Jahren in New York verstorben ist. Firestone, die bereits seit Jahrzehnten zurückgezogen und beinahe vergessen lebte, war eine viel zitierte, feministische Autorin und Gründungsmitglied der New York Radical Women, der Redstockings sowie der New York Radical Feminists. Als Kind jüdischer EinwandererInnen wächst sie in Missouri auf, studiert am Art Institute of Chicago und veröffentlicht mit nur 25 Jahren ihr Hauptwerk The Dialectic of Sex: The Case for Feminist Revolution, in Deutschland erschienen als Frauenbefreiung und sexuelle Revolution. In The Dialectic of Sex beschäftigt sich Firestone mit der Geschlechterungleichheit, die ihrer Meinung nach durch die von den patriarchalen gesellschaftlichen Strukturen instrumentalisierten biologischen Differenzen zwischen dem männlichen und weiblichen Geschlecht herrührt. Im Grunde trage Schwangerschaft und Kindererziehung daran Schuld, dass Frauen in einer patriarchalen Gesellschaft benachteiligt würden. Somit liege der Schlüssel für die Behebung bestehender Ungleichheiten in der Verlagerung der Reproduktionsaufgaben in die Labore der Welt. Firestones Überlegungen sind deutlich an die Kritische Theorie sowie an Karl Marx, Sigmund Freud und Simone de Beauvoir angelehnt, deren Ideen Firestone zu einer radikal-feministischen politischen Theorie synthetisiert.

Wie auch Valerie Solanas in ihrem SCUM Manifesto ein paar Jahre zuvor, spricht sich Firestone in The Dialectic of Sex für eine vollkommene Automatisierung des Reproduktionsprozesses aus. Für diese utopischen Forderungen erntet sie harsche Kritik, auch innerhab feminitischer Zirkel. Eine Verrückte, eine Männerhasserin sei sie, schimpfen ihre KritikerInnen, andere finden ihre Überlegungen zur künstlichen geschlechtsunabhängigen Reproduktion visionär. Wie viele andere kluge Frauen heftet sich auch an Firestone das Stigma der madwoman (dazu forscht seit langem die französische Literaturwissenschaftlerin und Feministin Shoshana Felman) und ihre Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken bestätigen Firestones WidersacherInnen nur in diesem Verdacht.

Firestone zieht sich nach einiger Zeit aus den von ihr etablierten radikal-feministischen Gruppierungen zurück und lebt zurückgezogen als Malerin. Ihr einziges weiteres publiziertes Buch ist ihre Autobiographie Airless Spaces aus dem Jahr 1998 (wer noch mehr zu Firestone und ihren theoretischen Überlegungen lesen möchte, siehe Nachruf der New York Times).

Gerade für die feministische Mitte waren und sind radikale Randerscheinungen wie Shulamith Firestone von großer Bedeutung, da sie immer wieder die Grenzen dessen ausloten, was in einer Gesellschaft gesagt werden darf. Dadurch schaffen sie Luft für die gemäßigtere Mitte und bleiben dabei trotzdem ein Teil der Gruppe.

Mit Shumalith Firestone ist eine wichtige und einflussreiche Kritikerin herrschender Ungleichheiten verstorben. Ihren Tod bedauern wir zutiefst.