Javeh Asefdjah, Pınar Erincin &. Sanam Afrashteh (v.l.n.r.), Foto: David Ghione

Im Ballhaus Naunynstraße feierte das Stück „Scheppernde Anworten auf dröhnende Fragen“ am Samstag Premiere. Missy-Autorin Dorothee Leesing schaute sich das Stück an.

„Was machen Frauen auf der Bühne?“ – diese Leitfrage schreibt sich das Stück „Scheppernde Antworten auf dröhnende Fragen“ auf die Fahne und beantwortet diese aus drei Blickwinkeln, mit drei kurzen Stücken, die unterschiedlicher nicht sein könnten und die Fragestellung auf ihre eigene Art beantworten.
Besonders beeindruckend ist das erste Stück, die Erstinszenierung der anscheinend total wahnsinnigen und formidablen Regisseurin Abdel-Maksoud beeindruckt nachhaltig. Ihr Stück „Hunting von Trier“ begeisterte auf der Premieren-Aufführung am Samstag das johlende Publikum mit einem rasanten Ritt durch durch die Popkultur, um Wahrheiten scheppernd aufzudecken, die dröhnend im medialen und antifeministischen Raum hängen. Dies schafft „Hunting von Trier“ nicht zuletzt dank der exzellenten Darstellerinnen, die voll frischen Schauspiel-Schulkönnens mit Hilfe von hölzernen Cadillacs und Papp-Kameras ein Roadmovie ohne Road und Movie herstellen. Dabei heizen sie mit ihrem Pressplatten-Cadillac über die misogyne Medienstraße und treffen episodisch auf Lars von Trier, Iggy Pop, Brigitte Bardot, Kai Diekmann und nicht zuletzt die uns allen bekannten „Sehgewohnheiten“, sexistische Stereotype, die als Endgegner die Hauptdarstellerinnen beinahe in die Enge treiben, aber nur beinahe! Das alles hört sich nach Klamauk an, doch Abdel-Maksoud und das formidable Schauspiel-Trio schaffen es, stets gesellschaftskritisch und zynisch die Mechanismen zu analysieren, die das Leben der Frau in der Öffentlichkeit beeinflussen.
Nach dem wilden Ritt des ersten Stückes fahren die anderen beiden Stücke das Tempo herunter. Theresa Henning versetzt das faust’sche Gretchen (gespielt von Elmira Bahrami) in eine verzweifelte Ausweg-Suche – stolpernd und klopfend über und unter Laufstegen und in einigen Kostümwechseln. Für das Publikum ist der Wechsel vielleicht ein wenig knifflig: trotz des medialen Blitzlichtgewitters mit Video, Loop-Stations und Geige-Spiel ist das Tempo viel langsamer in dem Ein-Frau-Stück, das auf die Körpersprache und Mimik von Bahrami setzt, anstatt, wie im vorigen Stück, auf hellwaches Textgewitter.
Das letzte Kurzstück erzählt die Halbzeitpause des WM-Spiels 2006 von Deutschland gegen Italien. Die Schauspielerinnen arbeiten die Beziehung zwischen Machismus und Fußball und einer Interpretation der Rolle des männlichen Fußballspielers auf, in der Themen wie Druck, Kampfwille und Homophobie thematisiert werden. Diese reizvollen Kontraste zwischen Schauspielerinnen und Thematik sind somit die Stärke des Stückes.
Das Off-Theater des Ballhaus Naunynstraße, das von Shermin Langhoff 2008 mit Fokus auf migrantisches und post-migrantisches Theater gegründet wurde (siehe auch nächste Missy-Ausgabe!), legt seinen Fokus insbesondere auf junge Nachwuchstalente, die gerade ihren Hochschulen entwachsen sind und hier die Möglichkeiten erster Inszenierungen bekommen. In „Scheppernde Antworten auf dröhnene Fragen“ wird endlich die Frau auf der Bühne und im Theater thematisiert – und legt viele antifeministische, subtile Mechanismen unserer Zeit auf der Bühne offen.

Wann & wo: Nächste Vorstellungen: 17., 18., 20. und 21. Oktober 2012 in Berlin-Kreuzberg in der Naunynstraße 27.
14 oder 8 (ermäßigt) Euro Eintritt
www.ballhausnaunynstrasse.de