Dieser Brief erreichte uns von einer jungen Leserin. Da wir glauben, dass das Thema leider viele junge Mädchen betrifft, haben wir uns mit ihr gemeinsam dazu entschlossen, diesen hier zu veröffentlichen.
„Ich würde gerne von einem komplexen, ausschweifendem Thema erzählen. Selber möchte ich anonym bleiben, da ich mit dem Thema nicht nur indirekt zu tun habe, sondern das Problem selber habe. Magersucht.

Wir sind jetzt zu viert in der Klasse. Haben alle das gleiche Problem, doch ganz verschiedene Ursprünge, Gründe und ja auch unsere eigene Geschichte. Man könnte sagen, dass Anorexia Nervosa uns wie eine große Welle mitriss, wir nacheinander wie an einem Virus erkrankten. Die Zahl an Magersüchtigen an meiner Schule ist sehr hoch, vielleicht liegt es daran, dass wir viel mehr Mädchen als Jungen an der Schule sind.

Doch wenn man genau darauf achtet: Laufen nicht viel zu viele dürre Gestalten auf den Straßen herum? Ich frage mich, was ist eigentlich normal heutzutage? Haben wir uns den Hang zur oberflächlichen Perfektion zu sehr angewöhnt? Sich in der eigenen Haut so richtig wohlfühlen zu können scheint mir wie ein Fremdbegriff.

Meine eigene Geschichte, kann ich selber gar nicht so richtig erklären. Was der Auslöser oder Grund war, könnte ich auch nicht sagen. Ich weiß nur welches Gift sehr bestimmte Seiten im Internet waren. Es handelt sich dabei um Pro Ana oder Mia Seiten. Pro Ana, das ist Pro Anorexia. Pro Mia, ist Pro Bulemie, also Ess-brech-sucht. Hier finden sich lauter Betroffene, oder frisches Fleisch, das bereit zum schlachten ist. Wie in einer Sekte werden hier Tipps und Tricks, Thinspiration, also Fotos von extrem dünnen Körpern, ausgetauscht. Was für eine selbstzerstörerische Welt das ist, ist kaum zu begreifen. Gemeinsam reißt man sich in das Verderben. Doch ehrlich gesagt, ist es auch schwer sich von diesen Seiten abzuwenden.

Ich bin auf einem guten Weg der Besserung, aber das auch nur, weil eine Freundin von mir aufmerksam geworden ist und alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt hat. Es wissen viele Freunde von mir in welcher Situation ich mich im Moment befinde, und ich muss sagen, dass ich doch jetzt merke wie viel wichtiger mir Leben ist. Das pure Leben besteht nicht aus hungern oder sich selbst unglücklich zu machen. Denn ohne Essen ist unser Körper wie eine Hülle des selbst. Eine eigene kleine verschlossene Festung, die niemanden an sich ranlässt. Nichts läuft ohne Essen. Das ist mir klar geworden und einfach wichtiger geworden.

Ich habe von mir erzählt und sage auch noch einmal, dass jeder einzelne Essgestörte seine eigene Geschichte hat. Ich verallgemeiner diese Geschichte also nicht auf andere. Magersucht ist nicht direkt heilbar, aber bevor man das eigene Problem nicht einsieht, kann man nicht helfen.

Mit diesem Artikel versuche ich mit dem Thema klarzukommen und es zu verstehen. Und ich wünsche meiner Klasse einfach einen entspannteren Umgang mit dem eigenen Körper und vor allem wünsche ich den dreien in meiner Klasse die Normalität zurück, inwiefern sie vorhanden ist. Natürlich auch allen anderen Betroffenen.

Danke.“