Was kommt dabei heraus, wenn der schrankschwule Muttersohn und Bankkaufmann Sven Ritter sich in den Familienvater Daniel verliebt, der Pfleger und Hausfreund seiner dementen Mutter Edeltraut ist? „Dicke Mädchen“, eine verspielt-schamlose, zärtlich-ungelenke und komisch-tragische Liebesgeschichte zwischen zwei beleibten mitteljungen Männern, in der zu Fritz Kreislers Liebesleid-Walzer getanzt wird – nackt mit Kleenex-Tüchern oder in Polizeiuniform. Daniels Direktheit ermöglicht Svens spätes Coming-Out, was ihm den Mut schenkt, neue Ufer zu entdecken. Am Ende ringen Sven und Daniel um das, was sie eint und trennt: nicht die Liebe, sondern unterschiedliche Bedürfnisse und Realitäten. Nebenbei erzählt der Film, was Menschen unterschiedlicher Generationen zusammen hält: Anteilnahme und Akzeptanz.

Die Entstehung von „Dicke Mädchen“ ist so unkonventionell wie der Film selbst. Das gemeinsame Werk von Regisseur und Produzent Axel Ranisch und den Schauspielern Heiko Pinkowski  und Peter Trabant entstand in 10 Drehtagen und beruht wie die ungeschliffenen Dialoge auf Vertrauen im Zusammenspiel und Mut zur Improvisation. Auch und besonders für die 89-jährige Laiendarstellerin Ruth Bickelhaupt, Ranischs Oma, deren Marzahner 2-Raum-Platte das Set darstellte.
„Dicke Mädchen“ könnte ein Dogma-Film sein,  offenbart er doch ohne dramaturgische Vorhersehbarkeit, illusionäre Verführung und technische Effekte eine von vielen Wirklichkeiten unseres Zusammenlebens. So ist das Improv-Werk auch ein leiser politischer Film über persönliche Wahrnehmung und gesellschaftlichen Umgang mit dem Anders- und Fremdsein geworden.

Rezension: Silke Cecilia Schultz

„Dicke Mädchen“ D 2011 / Regie: Axel Ranisch. Mit Ruth Bickelhaupt, Heiko Pinkowski, Peter Trabner u.a., 76 Min, Start: 15.11.