Die Wortschöpfung „Opfer-Abo“ von Wettermoderator Jörg Kachelmann wurde von einer Jury aus SprachwissenschaftlerInnen zum Unwort des Jahres 2012 gekürt.

Unwort des Jahres

Der Begriff fiel in einem SPIEGEL-Interview, in dem Kachelmann sein Buch „Recht und Gerechtigkeit“ bewarb. Er verarbeitet darin seine Sicht auf den Gerichtsprozess, in dem er 2011 unter hoher medialer Aufmerksamkeit vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen wurde. Kachelmann bescheinigte in dem Interview vom Oktober 2012 Frauen ein  „Opfer-Abo“: Vergewaltigungsvorwürfe seien demnach eine beliebte Masche von Frauen, um ihre Ziele durchzusetzen.

Diese Aussage und die dafür stehende Wortschöpfung hat die Jury unter Leitung von Prof. Dr. Nina Janich von der TU Darmstadt nun abgekanzelt. Der Begriff „Opfer-Abo“ stelle Frauen pauschal unter Verdacht, „sexuelle Gewalt zu erfinden und damit selbst Täterinnen zu sein“. In Anbetracht dessen, dass laut einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nur circa fünf bis acht Prozent der von sexueller Gewalt betroffenen Frauen überhaupt zur Polizei gehen und noch weniger Fälle zur Anzeige kommen, sei der Begriff und die damit verbundene Aussage „sachlich grob unangemessen“. Der Begriff verletze außerdem die Menschenwürde tatsächlicher Opfer.

Seit 1991 weist die Sprachkritische Aktion Unwort des Jahres auf gesellschaftliche Missstände hin, indem sie Wortschöpfungen als diskriminierend, zynisch und entwürdigend enttarnt. In der Vergangenheit waren darunter solch klingende Begriffe wie Überfremdung, Humankapital oder Kollateralschaden. Zwar kann jede_r Vorschläge einsenden, die Auswahl erfolgt jedoch nicht nur nach Anzahl der Nominierungen. Letzten Endes entscheidet die gesellschaftliche Resonanz des Begriffs. So kritisierte die Jury in ihrer Pressemitteilung zum aktuellen Unwort „einen Wortgebrauch, der gängige Vorurteile in Bezug auf eine Vortäuschung von Vergewaltigungen oder eine Mitschuld der Frauen bestätigt. Ausdrücke dieser Art drohen letztlich den zivilgesellschaftlichen und juristischen Umgang mit sexueller Gewalt in bedenklicher Weise zu beeinflussen.“ Wenn das mal kein Zeichen gegen Rape Culture ist!

Weitere Kandidaten für die zweifelhafte Ehre waren die „Pleite-Griechen“ der Springerpresse in der Berichterstattung um die Eurokrise, und die „Lebensleistungsrente“.