Ahoi Missies!
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Ab dem 4. Februar, 10 Uhr, gibt’s die Karten für die diesjährige Berlinale zu kaufen – auch online – und zwar unter diesem Link:
http://www.berlinale.de/de/programm/eintrittskarten/index.html
Deshalb möchte ich Euch noch rasch zwei Filme, der erste aus dem Panorama-, der zweite aus dem Forumsprogramm ans Herz legen:
Ahoi sexy – wenn Mumblecore erwachsen wird
Braucht die Welt wirklich noch einen „Nicht-mehr-ganz-junge-Frau-bekommt-ihr-Leben-nicht-auf-die Reihe“-Film? Im speziellen Fall von „Frances Ha“ von „Greenberg“-Regisseur Noah Baumberg heißt die Antwort eindeutig: Ja.
Ein witzigerer, melancholischerer und zugleich mitreißenderer Film hat, sagen wir seit dem Nouvelle-Vague-Film „Außer Atem“, nicht mehr das Licht der Kinoleinwand erblickt. Auch Noah Baumbachs Indie-Film ist in kunstvollem Schwarz-Weiß gedreht, die perfekte Wahl um die atemberaubende Performance von Hauptdarstellerin Greta Gerwig in Szene zu setzen. Der Mumblecore-Star und Baumbach – der u.a. mit Wes Andersson die großartigen Drehbücher zu „Die Tiefseetaucher“ und „“Der fantastische Mr. Fox“ erarbeitet hat – sind übrigens auch privat ein Paar. Das Skript für „France Ha“ haben sie gemeinsam Greta Gerwig auf den Leib geschrieben.
Die 27-jährige Frances ist in einer ähnlichen Situation wie die „Girls“ aus der gleichnamigen HBO-Serie: Sie arbeitet aushilfsweise für eine Dance Company und ihre Beziehung zum anderen Geschlecht, das ihr lachhafte Handynachrichten, die mit „Ahoi Sexy“ beginnen, zukommen lässt, fasst sie knapp in dem Begriff „undate-able“ zusammen.
Richtig wohl in ihrer Haut und ihrem Leben fühlt sie sich nur mit ihrer Freundin Sophie, gespielt von der ebenfalls sehr überzeugenden Mickey Sumner, die Gerwig die „Spielbälle“ nur so zuwirft….
Als Sophie ihr eines Tages mitteilt, dass sie aus dem gemeinsamen Appartement ausziehen will, um fortan mit ihrem Freund zusammenzuwohnen, gerät Frances gehörig ins Straucheln: Sie hat Angst vor der Einsamkeit ohne ihre Seelenverwandte – von der sie einmal sagt „wir sind ein und dieselbe Person“ oder sie seien „wie ein lesbisches Paar, dass keinen Sex mehr hat“. Auch hat sie keine Ahnung wie sie, die nicht von ihren Eltern finanziert wird, die Miete allein zusammenbekommen soll. Doch eigentlich spürt die ZuschauerIn trotz Frances’ Tollpatschigkeit (besonders in sozialen Zusammenhängen), Impulsivität und leichten Hang zur Selbstzerstörung, dass sie sich um diesen hochsympathischen, letztlich optimistischen Wirbelwind, der zu Bowies „Modern Love“ auf den Strassen Manhattans wilde Pirouetten dreht, eigentlich keine Sorgen machen muss. Sie wird auf ihre Art erwachsen werden – ohne ihre „Frances-Ha-Art“ zu verlieren…
Für mich jetzt schon einer der unterhaltsamsten, makellosesten Filme auf der diesjährigen Berlinale mit einer unwiderstehlichen Hauptdarstellerin von der wir bitte noch viel mehr sehen möchten.
Wann können wir wieder nach Hause?
Einige Filme auf der diesjährigen Berlinale drehen sich um den Nahostkonflikt. Am meisten berührt (und am wenigsten heruntergezogen) hat mich der Spielfilm „When I saw you“ der in Bethlehem geborenen und in Saudi-Arabien aufgewachsenen Filmemacherin Annemarie Jacir. Aus der naiven Perspektive des elfjährigen Tareks (Mahmoud Asfa), eines pfiffigen Mathegenies, das aber noch nicht lesen und schreiben kann, erleben wir zunächst die trostlose Realität eines Flüchtlingscamps für Palästinenser in Jordanien. Tarek und seine Mutter (Ruba Blal) wurden 1967 – infolge des 6-Tage-Krieges – dazu gezwungen ihr Heim im Westbank-Gebiet – mit dem gemütlichen Bett und dem eigenen Badezimmer – zu verlassen und verloren auch noch den geliebten Vater in den Kriegswirren. Sehnsuchtsvoll sucht Tarek jeden neuankommenden LKW mit Flüchtlingen nach seinem Vater ab. Das Essen im Camp ist schleimig, die Gemeinschaftstoiletten eine Zumutung, der Lehrer hässlich und verständnislos. Ganz im Gegensatz zu seiner netten Lehrerin in der Heimat. Als der Lehrer dem aufmüpfigen Kind eines Tages auch noch den Zutritt zur Schule verwehrt und Tarek von einer alten Frau nebenbei erfährt, dass sie bereits zwanzig Jahre in dem Flüchtlingslager lebt (7300 Tage wie Tarek fix ausrechnet) reicht’s ihm. Er macht sich auf den Weg nach Hause, ins nahegelegene Palästina – und strandet zunächst in einem (namenlosen) Rebellenlager. Schon bald wird er zum Maskottchen der jungen Männer und Frauen, die Tag für Tag hart für ihren Freiheitskampf trainieren. Tarek gefällt es hier schon mal viel besser. Er wird aufgrund seiner Zählkunst zur rechten Hand ihres militärischen Führers. („Der da hat nur 58 Liegestütze statt der befohlenen 60 gemacht“ petzt er mit einem entwaffnenden Lächeln). Die Landsleute achten darauf, dass er kein schleimiges Essen vorgesetzt bekommt. Abends singt man gemeinsam am Lagerfeuer sehnsuchtsvolle Lieder von der Heimat. Als seine Mutter Ghaydaa auf der Suche nach dem verlorenen Sohn in dem Lager auftaucht und das sture Kind sich strikt weigert wieder in das hoffnungslose Flüchtlingscamp zurückzukehren, muss auch sie sich entscheiden, wie es weitergehen soll. Allein Tarek verliert sein Ziel nicht einen Moment aus den Augen…
Wunderbar fotografiert, mit zwei hinreißenden Hauptdarstellern – der kleine Tarek wurde übrigens direkt aus einem Flüchtlingscamp rekrutiert – gewann der Film auf dem Filmfestival in Abu Dhabi bereits den Preis für den Besten Film aus der Arabischen Welt (in der Kategorie „New Horizons“).
Der Regisseurin Annemarie Jacir, die für ihre ersten Film „Salt of the Sea“ bereits einige Preise gewonnen hat, gelingt es mit ihrem Film, in dem es in erster Linie um eine Mutter-Sohn Beziehung geht, den Zuschauer an die hochkomplexe Thematik des Nahostkonflikts heranzuführen und wieder auf das Wesentliche herunterzubrechen. Ein Kind, das mit Politik nichts am Hut hat, will einfach nur nach Hause.
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