Reisen ohne zu Verreisen…
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In diesem Jahr gibt’s auf der Berlinale mal wieder eine neue Sonderreihe: „NATIVe – A Journey into Indegenious Cinema“. (Im Sondierungsvorfeld musste der bekennende Vegetarier Kosslick wohl mit ein paar Aborigine-Filmemachern eine Krokodilpizza verputzen, wie er auf der Pressekonferenz zum Besten gab…)
Trotz dieser Unwägbarkeiten hat Kuratorin Maryanne Redpath eine interessante Auswahl an Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilmen aus der Arktis, Australien, Ozeanien und Nordamerika zusammengestellt.
Zwei lohnenswerte Filme aus der Reihe möchte ich Euch heute kurz vorstellen:
Die als Roadmovie verpackte Sozialstudie „Samson & Delilah“ von Filmemacher Warwick Thornton, der selbst von den Ureinwohnern abstammt, gewann 2009 u. a. die Camera d’Or auf dem Filmfestival in Cannes: Es geht um die beiden Teenager Samson und Delilah, gespielt von Laiendarstellern, die irgendwo in einem abgelegenen Reservat in der Wüste Zentralaustraliens ihr Dasein fristen. (Dem europäischen Kolonialismus sei Dank…) Delilah pflegt liebevoll ihre alte Großmutter , mit der sie Traumzeitbilder malt, um ihre sehr bescheidene Existenz zu sichern.
Samson dagegen ist völlig verloren, sein Vater ist im Knast, seine Brüder kümmern sich nicht um ihn. Der Teenager versucht die Tage hinter sich zu bringen und schnüffelt gelegentlich Klebstoff, um seinen Hunger und seinen Frust wegzudrücken. Der völlig auf sich gestellte Samson spricht übrigens sehr lange kein einziges Wort, warum erfahren wir erst in einer erschütternden kleinen Szene gegen Ende des Films…
Als Delilahs Großmutter stirbt und Samson von seinen Brüdern arg verprügelt wird, fliehen die beiden Teenager mit einem geklauten Pick Up nach Alice Springs, wo nur noch größeres Unglück auf sie wartet: Alltäglicher Rassismus, Hunger, die Entführung von Delilah, die vergewaltigt und grün- und blaugeschlagen zu ihrem gemeinsamen Plätzchen unter einer Brücke zurückkehrt. Mehr und mehr versuchen beide, indem sie Benzin schnüffeln, sich aus ihrer aussichtlosen Wirklichkeit wegzuknocken…
In ruhigen Bildern und ohne viele Worte zu verlieren, erzählt Thornton von den durch den Kolonialismus zerstörten Lebensperspektiven vieler Aborigines und gleichzeitig von der würdevollen Annäherung zweier vom Leben Geschlagener…
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Interessant ist auch der 2005 herausgekommene Dokumentarfilm „Trudell“ von der Regisseurin und Produzentin Heather Rae.
Der in Nebraska geborene, lebenslange Freiheitskämpfer des American Indian Movement, den das FBI einmal als „ extrem eloquent und deshalb extrem gefährlich“, beschrieb, wird in dem leider etwas zu wohlwollenden Film portraitiert. Wir erfahren von seiner Kindheit in Omaha, in der Nähe eines Indianerreservats, seinem politischen Kampf für die Rechte der Ureinwohner Amerikas, von dem grauenvollen Preis den er dafür bezahlte und von der Fortführung seiner Arbeit – nach seiner nur allzu verständlichen Lebenskrise – als Lyriker und Musiker. 13 Jahre lang hat Rae (die selbst aus dem Stamm der Cherokee stammt) John Trudell mit ihrer Kamera begleitet, Wochenschauen, Live-Auftritte Trudells und Interviews mit Bewunderern, darunter Robert Redford und Kris Kristofferson, runden diese informative Doku ab. Es lohnt sich auf jeden Fall den Film über den Mann, der die westliche Zivilisation „eine riesengroße Lüge“ genannt hat und über den das FBI ein 17.000 Seiten umfassendes Dossier verfasste, anzuschauen.
Einziger Wermutstropfen: Der etwas zu huldvoll gestaltete Filmzeigt für meinen Geschmack etwas zu viele Bilder aus Trudells Zeit als Dichter und Sänger. Da hätte ich mir lieber noch mehr Hintergrundinfos aus seiner Zeit als rein politischer Aktivist gewünscht – oder einfach eine kürzere Schnittfassung.
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Das komplette Programm dieser Berlinale-Reihe – in der frau zum Preis einer Eintrittskarte mal zwischendurch verreisen kann – findet ihr hier:
http://www.berlinale.de/en/programm/berlinale_programm/programmsuche.php