Team Märchentanten: Epische Bilder – enttäuschende Story
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Ein neuer Animationsfilm aus den Blue Sky Studios kam diese Woche in die Schweizer Kinos: Epic – Verborgenes Königreich. Verborgen bleiben den KinobesucherInnen dabei die Motive der oberflächlich-klischiert gezeichneten Figuren, dafür werden sie mit detailgenauen Action-Szenen von epischer Länge in den Bann des modernen 3-D-Kinos gezogen.
Episch bedeutet ursprünglich: Erzählend. Die aus den Volksmärchen bekannte Geschichte von Gut und Böse, die in „Epic – Verborgenes Königreich“ nochmals aufgerollt wird, erzählt leider nicht viel Neues. Die Handlung geht wie folgt: Das skeptische Mädchen Mary Catherine alias MK (gesprochen von Amanda Seyfried), Tochter eines ach so verrückten Wissenschaftlers, der eine winzige Hochkultur im Wald erforscht, wird von der sterbenden Königin eben dieses kuriosen Völkchens auf Käfergröße geschrumpft, um die bedrohte Miniwelt vor den Bösewichten zu retten, die den ganzen Wald der Fäulnis anheim geben wollen. Während der Weltrettung, die vor allem von General Ronin (Colin Farrell) und dem gutaussehenden Jüngling Nod (Josh Hatcherson) sowie von zwei Schnecken vorangetrieben wird, die die Protagonistin MK auf ihrer Reise begleiten, entsteht die vorhersehbare Liebesbeziehung zwischen dem Mädchen aus der großen und dem Jungen aus der kleinen Welt. Schlussendlich gibt’s das Happy End: Vati widmet sich weiterhin der Wissenschaft und forscht munter im Walde. Dank den emotionalen Bezügen und Beziehungen zur Waldwelt ist nun auch sein mittlerweile wieder auf Menschengröße gezaubertes Töchterchen zur Forscherin geworden.
Zur Unterhaltung dienen, neben den etlichen Flug- und Kampfszenen, die für das Genre typischen ulkigen Nebenfiguren, die das Geschehen mit ironischen Sprüchen auflockern. Die Schnecken Grub und Mub sowie der übergewichtige dreibeinige Mops von MKs Vater sorgen so mit ihrer tollpatschigen Art für die erwartbaren Lacher.
Eher enttäuschend als episch zeigt sich der Film im Bezug auf klischierte Geschlechterrollen. Obwohl die Hauptfigur Mary Catherine recht tough und clever wirkt, muss sie dennoch etliche Male von einem der „Leafmen“, den tapferen Mini-Kämpfern des Waldes, gerettet werden: Vor einer bösen Spitzmaus, deren Gefahr die Unbesonnene nicht erkennt, oder vor der aufgebrachten Horde Boggans, den fäulnisverbreitenden Bösewichten. Immerhin stiftet die junge Frau am Schluss die gute Idee bei, ihren Vater um Hilfe zu bitten bei der Rettung des Königreichs, und sie holt ihn ganz selbständig auch gleich herbei, damit er mit seinen technischen Geräten die bösen Fledermäuse der Boggans vertreiben kann. Dem Film kann jedoch zu Gute gehalten werden, dass immerhin das Kämpfen und Gewinnen nicht ganz den männlichen Waldbewohnern überlassen wird, so sind in den Truppen der Leafmen auch einige Leafwomen vertreten. Zudem wird das Königreich von einer starken Woman of Color regiert, die zur Selbstverteidigung und Rettung ihres Volkes auch mal ein paar Feinde von Pflanzenranken zerquetschen lässt. Die Stimme der heldenhaften Königin gehört übrigens Beyoncé, die auch gleich den Titelsong zum Film liefert.
Ein Thema des Films scheint die Beziehung zum Vater zu sein. So glaubt die Protagonistin zu Beginn noch, die Hochkultur im Wald sei nur eine Einbildung ihres Vaters, der sich mehr für die Wissenschaft als für sie interessiert. Dieser oberflächlich angedeutete Konflikt klärt sich jedoch rasch, als die geschrumpfte Tochter am eigenen Leib erfährt, dass ihr Vater immer recht hatte. Kurz zweifelt jener zwar im Verlauf der Geschichte noch an seinem egoistischer Wissenschaftlerlaufbahn, doch die Unsicherheit ist schnell verflogen und der Forscher- und Heldendrang überwiegt. MKs Begleiter und späterer Angebeteter Nod leidet hingegen unter der Abwesenheit seiner verstorbenen Vaters, den der väterliche General Ronin aber recht gut zu ersetzen scheint. Am Schluss tritt Nod in die obligatorischen Fussstapfen seines Vorfahren und wird selbst zum Kämpfer der „Leafmen“. Anders sieht’s bei den Bösewichten aus: Dort wird der Sohn des Häuptlings, noch während er seine Würdigkeit als Trohnnachfolger unter Beweis stellen will, von Leafman Ronin abgemurkst. Getötet und gekämpft wird überhaupt viel in „Epic“. Dadurch wird der märchenhafte Touch, den der Film durch das elfenhafte Volk, die sprechenden Blumen und Tiere, den Wald als Ort von verborgenen Kräften und Gefahren gewinnt, stets wieder neutralisiert und zudem durch humoristische Sprüche ironisiert. Fazit: Fantasievoll ist in „Epic“ nur die Animation, eine spannende Geschichte, tiefe Charaktere und eine differenzierte Aushandlung von Moral muss mensch wohl ausserhalb des epischen Königreichs suchen gehen.
Von Rumpelstilzchen