Sex ist Sex, könnte man meinen. Die Darstellung von sexuellen Praktiken, Begehren, Gelüsten und Phantasien auf der Leinwand bleibt nun mal Pornografie. Was soll also die ganze Aufregung um diese ‚neue’ PostPorn-Bewegung? Hat man nicht einfach dem gleichen Phänomen einen neuen sexy Namen gegeben?

 

„The answer to bad porn isn’t no porn, but to make better porn.“ Dieser Satz der Pornodarstellerin und Aktivistin Annie Sprinkle hat ganze Generationen von Feminist_innen gespalten und schafft dies noch immer. Pornografie könnte unterschiedlicher nicht wahrgenommen werden. Von konservativen Feminist_innen wird sie als Unterdrückungsmittel und Machtinstrument verschrien, während sie von Vertreter_innen des Post Porn als politisches Hilfsmittel gesehen wird, um gängige Geschlechterkonventionen zu unterwandern und sexuelle Lust eigenständig darzustellen. Doch was ist denn nun dieses „Post“ im Post Porn? Ist es eine sprachliche Neuerung, die eigentlich ein altes Phänomen darstellt, oder revolutioniert diese Silbe die visuelle Darstellung von Sexualität?

Um sich an den Begriff des Post Porn anzunähern, muss man erst mal wissen, wovon man sich denn abgrenzen will. In der sogenannten Mainstreampornografie wird die vorherrschende binäre Geschlechterordnung durch die Darstellung der immer gleichen Bilder und der darin enthaltenen Logik ständig reproduziert. Die Visualisierungen auf Youporn, Pornhub und Co. sind uns bekannt: der Macho nimmt eine Blondine von hinten und spritzt ihr zum Schluss ins Gesicht oder eine vollbusige Frau mit zentimeterlangen Fingernägeln befriedigt ihre angeblich lesbische Freundin (wer das schon mal versucht hat, weiß, dass das kein Spaß sein kann). Die Körper unterscheiden sich kaum: glattrasierte, durchtrainierte und gesunde Körper sind die einzigen, welche eine Existenzberechtigung erhalten. Geschlechterstereotypen und -rollen werden aufrechterhalten und bestätigt, wodurch eine gewisse Art von Sexualität naturalisiert wird. Diese Art der Pornoproduktion trägt somit dazu bei, dass weiterhin der Anschein erweckt wird, es gäbe eine ‚wahre’ oder festgeschriebene und abgeschlossene Identität.

Post Porn hingegen löst sich von dieser Binarität und ermöglicht andere Formen der Repräsentation. Die diskursive Normativität und deren Ausschlüsse werden hinterfragt, indem verschiedene Körper und Arten von Sexualität sichtbar gemacht werden. Man sieht Körper, die nicht nur einem Geschlecht entsprechen, keine 90-60-90-Maße vorweisen oder sich auf andere Weise dem Schönheitsdiktat entziehen. Und man schaue und staune, es braucht keinen normierten Körper für ein lustvolles Sexleben. Durch die Repräsentationen von Sexualität, welche die sexuelle und geschlechtliche Identität uneinheitlicher und mehrdeutiger darstellt, werden pornografische und gesellschaftliche Stereotypen durchbrochen. Der Subjektbegriff, der Subjekte als autonome, in sich identische Wesen versteht, wird dabei angegriffen und somit auch die Vorstellung einer essentiellen Identität hinterfragt. Es können also nicht mehr nur Frauen mit Männern Sex haben, sondern auch Menschen, die sich diesen Kategorien entziehen wollen. Die Freiheit, sich einer dieser Kategorien zuzuordnen, besteht natürlich weiter, jedoch muss man auch deswegen nicht immer der 0815-Vorstellung von sexuellen Praktiken und Begehren entsprechen.

Diese inhaltliche Diskrepanz zwischen der „Mainstreampornografie“ und dem „Post Porn“ rechtfertigt eine Unterscheidung. Es handelt sich also nicht nur um eine begriffliche Spielerei oder einen neuen Trend, sondern um eine Subversion der vorherrschenden Geschlechterordnung durch das Mittel der Pornografie. Da diese Subversion immer im Begriff des Wandels steht, ist zu erwarten, dass die Entwicklung nicht hier stehen bleibt. So lässt sich beispielsweise bereits wiederum eine Kritik am Post Porn selbst formulieren. Der Hinweis darauf, dass er sich noch nicht von den herkömmlichen Zentren der Lust abwenden konnte, kann somit als Perspektive für eine weitere Entwicklung der queeren Pornoszene gesehen werden.

 Alex