Dr. Stevie Meriel Schmiedel
Von
Statement der Gründerin der Initiative Pinkstinks Germany e.V. zu fünf Jahren Queer-Feminismus
Zwischen 2006 und 2011 hatte ich eine queer-feministische Pause – ich arbeitete als Lektorin, hatte Kleinkinder zu Hause und brachte mich weder als Aktivistin noch als Forschende in die Szene ein. Als ich 2011 zurück an die Uni kam, lasen wir immer noch Halberstam, Butler und Deleuze und versuchten nach wie vor, gender immer zusammen mit race und class zu denken. Inzwischen hieß das aber Intersektionalität und wir schwammen in der perfekten Weise, wie Mehrfach-Ausgrenzungen zu beschreiben seien. Das ist kompliziert, aber positiv.
Und auf einmal gab es Social Media, und jeder nutzte es. Mädchenmannschaft, e*vibes und viele andere gute Blogger*innen stoßen heute wichtige Diskurse an, bevor ein neues Werk auf dem Markt und durch die Seminarräume gekommen ist. Insbesondere in Deutschland ist die queer-feministische Szene durch die sozialen Netzwerke unglaublich aktiv geworden.
Als wir, mit vielen Organisationen und Musiker*innen, am 1. September die erste Demonstration gegen sexistische Werbung vor dem Brandenburger Tor feierten, waren Abi und Emma Moore, die Gründerinnen von Pinkstinks UK dabei. Sie standen auf der Bühne, mit Tränen in den Augen vor Begeisterung: So etwas wäre in London nicht möglich, sagte Emma, und darauf können wir alle verdammt stolz sein. Missy Magazine war übrigens auch dabei. Danke, Missy! Missy vernetzt: Es war wunderbar, im Mai im Hebbel am Ufer Angela McRobbie zu sehen, die Missy nach Berlin geholt hatte für ein spannendes Podium, das sich in ähnlicher Konstellation bei der Demo gegen sexistische Werbung wiedertraf.
Im positiven Sinne ist Queer-Feminismus heute eine einzig große Party. Diesen Spaßfaktor, den bringt auch Missy mit rein. Denn auch, wenn wir alle berechtigt und wütend gegen harte Umstände kämpfen: Das Ganze soll auch zwischendurch Freude bringen.
Tut es leider nicht immer. Ich denke, wir könnten noch viel mehr erreichen, wenn es nicht so viele Anfeindungen und Ausgrenzungen innerhalb der Szene geben würde. Was Abi und Emma Moore auf der Demo ausdrückten, ist typisch für unser Land: Kritikfähigkeit, Diskussionsfreude, Aktivismus. Und sie haben recht: In Großbritannien wäre das im Queer-Feminimus noch nicht möglich. Man schreit seine Wut, gerade hier, nicht so leicht raus. Aber es ist es gerade die Höflichkeit im Diskurs, die mir in Deutschland oft fehlt. Erst einmal zuhören. Nicht gleich lospoltern. Erst mal schauen, was es zu loben gibt (irgendetwas gibt es immer!), dann nachfragen, ob es nicht auch anders geht.
Die Härte, die oft in ein „mit denen sprechen wir nicht mehr“ endet: Wie schade. Die einen tüten nachts Flyer und Sticker ein, die anderen schreiben wichtige Texte. Auch, wenn wir nicht alle einer Meinung sind, und es wichtig ist, sich abzugrenzen: Überschneidungen haben wir alle. Diese Schnittmengen zu nutzen für noch mehr Aktivismus gegen Homophobie, Sexismus und Rassismus: Das wäre mein Traum.
Auf unserer Straßentheatertour wurden Menschen, die uns als „linke Votzen“ beschimpften, selbstverständlich von der Polizei des Platzes verwiesen. Wäre das vor #Aufschrei so gewesen? Jako-o brachte gerade den ersten Kinderkleidungskatalog heraus, auf dem ein Junge „hübsch“ gemach ist – in rot – und ein schwarzes Mädchen in blauer Latzhose auf rotzig macht (und mal keine exotische Schönheit ist). Doch, es geht voran!