Statement der Gründerin des Netzwerks female:pressure zu fünf Jahren Queer-Feminismus

Foto: Electric Indigo

Was hat sich Deiner Meinung nach aus queer-feministischer Sicht getan in den vergangenen fünf Jahren?

Ich kann nicht für alle female:pressure Mitglieder antworten, wir sind ja eine recht inhomogene Community von über 1.300 Frauen aus 58 Ländern, die im Bereich elektronischer Musik arbeiten. Was ich aber in den letzten fünf Jahren auch an unserer internen Mailingliste sehen konnte, ist, dass immer mehr Künstlerinnen Tonträger veröffentlichen und selber Musik produzieren.

Die augenfälligsten Bewegungen passierten dieses Jahr – 2013 verlief für uns enorm dynamisch. Offensichtlich war die Zeit reif für ein deutliches Statement. Es spricht für die Dringlichkeit des Anliegens, dass wir ungeachtet der ideologischen Unterschiede innerhalb unserer Gruppe eine gemeinsame Presseerklärung in neun Sprachen verfassen konnten und diese auch große mediale Resonanz fand. In der am internationalen Frauentag veröffentlichten Stellungnahme fordern wir mehr Diversität in Festival- und Labelprogrammen, ein erhöhtes Bewusstsein für den mangelnden Frauenanteil bei der Aufführung elektronischer Musik und gemeinsame Strategien, um dieses Manko auszugleichen.

Die daraus resultierende Dynamik führte zum Perspectives Festival in Berlin, das diesen September zum ersten Mal stattfand. Da hatten wir einerseits Gelegenheit, uns bei Vorträgen und Paneldiskussionen theoretisch mit der Problematik und möglichen Lösungen zu befassen, andererseits konnten wir an den zwei Tagen mit unserem Line-Up auch ganz konkret zeigen, dass es viele gute Künstlerinnen gibt.

Meines Erachtens ist all das – das kapitale Medienecho, die Vielfalt und Vielzahl weiblicher Acts, die Zusammenarbeit von so vielen verschiedenen Frauen, die sich vorher kaum oder gar nicht kannten, das ausgeprägte Interesse der männlichen Kollegen und nicht zuletzt die Bereitschaft vom Musicboard Berlin, unsere Unternehmung finanziell zu ermöglichen – ein deutliches Zeichen dafür, dass heute ein großer Teil der Bevölkerung bereit ist, für Chancengleichheit und kulturelle Partizipation aller Geschlechter zu sorgen.

 

Was muss dringend noch getan werden? Wo seht ihr die größten Missstände in unserer Gesellschaft?

Die eben angesprochene Einsicht, für Geschlechtergerechtigkeit sorgen zu müssen, hat natürlich eine Kehrseite: Es bedeutet, dass wir noch immer nicht sehr weit gekommen sind, zumindest nicht weit genug. Was wir brauchen, ist ein wohlwollendes und förderndes Umfeld für alle. Wir wollen nicht, dass es trotz widriger Umstände, trotz herrschender Skepsis und Voreingenommenheiten tolle Künstlerinnen gibt, sondern aufgrund von kontinuierlicher Ermutigung und genügend Spielraum.

 

Und was wäre dafür zu tun?

Wir müssen stereotype Rollenbilder über Bord werfen und wir brauchen statt dessen die Erkenntnis, dass mangelnde Diversität ein Armutszeugnis ist und die qualitative Güte einer kulturellen Unternehmung ganz grundsätzlich in Frage stellt. Darüber hinaus ist es ungemein wichtig, leichter zugängliche Räume und Strukturen für Auftritts-, Spiel- und Produktionsmöglichkeiten zu schaffen, um eine künstlerische und technische Verfeinerung zu gewährleisten.

indigo-inc.at

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