Gisela Notz
Von
Statement der Sozialwissenschaftlerin und Historikerin mit dem Schwerpunkt Alternative Ökonomien zu fünf Jahren Queer-Feminismus
Missy hat ihre 5. Jubiläumsausgabe, wie schnell die Zeit vergeht. Herzlichen Glückwunsch. Wir brauchen Missy und die Feministinnen an die sie sich wendet. Missy ist eine „Herzensangelegenheit“ sagen die Herausgeberinnen. Weil für mich Schreiben in feministischen Zeitschriften ebenso eine Herzensangelegenheit ist, bin ich dem Wunsch nachgekommen, einen kleinen Artikel zu schreiben. Schwierig ist die Frage, die mir gestellt wurde: „Was hat sich deiner Meinung nach getan und verbessert in den vergangenen fünf Jahren?“ Und dann zum Thema „Arbeit“!
Vielleicht hat es sich ein bisschen durchgesetzt, und das ist sicher dem Einfluss von Feministinnen geschuldet, dass Arbeit mehr ist, als eine Beschäftigung, für die man Geld bekommt. Hausarbeit, Erziehungsarbeit, Pflegearbeit für Alte, Kranke und Behinderte, und „ehrenamtlichen“ Gratisarbeit in Politik und im kulturellen und sozialen Bereich gehen der Gesellschaft nicht aus, sie wurden in den letzten Jahren immer mehr, weil bezahlte Arbeit in in die Familien oder in „Freiwilligendienste“ (sprich: auf Frauen) verlagert wurde.
Auch wenn die traditionelle Hausfrauenehe nur noch auf den Plakatwänden existiert, ist das „Privatleben“ vieler Paare noch immer vom Rollenmodell des Mannes als „Haupternährer“ geprägt. Berücksichtigt man die gesamte für Berufstätigkeit und Hausarbeit aufgewendete Zeit, sind die Arbeitstage der Frauen im Durchschnitt viel länger als die der Männer. Gehören Kleinkinder zum Haushalt, öffnet sich die Schere noch weiter. Das wird durch den achten Familienbericht der Bundesregierung von 2012 auch für jüngere Paare (unter 40 Jahren) bestätigt. Da hat sich nichts geändert.
Zum Modebegriff wurde Care-Arbeit, die fälschlicherweise oft mit den Reproduktionsarbeiten gleichgesetzt wird, sich jedoch auf alle bezahlt und unbezahlt geleisteten Tätigkeiten, bei denen Menschen für andere sorgen, bezieht. Sie wird in der Zukunft noch weiter zunehmen, denn die Problemlagen und damit die Zahl derjenigen, die der Hilfe bedürfen, werden sowohl innerhalb der bezahlten Arbeit als auch der unbezahlten Arbeit zunehmen. Welche Schlüsse daraus zu ziehen sind, wird (zu) wenig diskutiert.
Die Einbeziehung der Frauen in die Produktionsarbeit steht faktisch außer Frage. In den letzten Jahrzehnten vollzog sie sich vor allem über die Ausweitung von Teilzeit- und ungeschützten (prekären) Arbeitsverhältnissen mit einem nicht existenzsichernden Einkommen. Es reicht also nicht mehr das „Recht der Frauen auf Erwerb“ zu fordern.
In den „ehrenamtlichen“ Gratis-Arbeitsbereichen sind Männer eher zu Arbeiten bereit, die mit gesellschaftlicher Anerkennung und Einfluss und mit Aufwandsentschädigungen verbunden sind. In sozialen Feldern, im Gesundheits- und Erziehungsbereich arbeiten mindestens zwei Drittel Frauen. Ohne diese unbezahlt geleisteten Arbeiten würde das System der sozialen Dienste zusammenbrechen. Es sind die Frauen, die dafür sorgen, dass das nicht so ist.
Das Ehegattensplitting, das alleine am Tatbestand der Ehe honoriert und Männer mit nicht berufstätigen Frauen begünstigt, bleibt uns weiter. Das Betreuungsgeld als „Herdprämie“ kommt neu hinzu. Kinderkrippen und –gärten fehlen weiterhin. Die prekär arbeitenden Dienstbotinnen nehmen zu, daran sind auch Feministinnen nicht unschuldig.
Es bleibt viel zu tun. Es geht um Visionen einer zukünftigen Arbeitsgesellschaft, in der der Gesamtzusammenhang von Arbeit und Leben, Existenzsicherung und Eigentätigkeit von Individuen und Gesellschaft neu gestaltet wird. Es geht um sinnvolle und gesellschaftlich nützliche Arbeit in allen Bereichen und deren Verteilung auf alle Geschlechter; nicht nur individuell, sondern auf die Gesellschaft bezogen.
Wir brauchen eine radikale Arbeitszeitverkürzung im Bereich der Vollzeiterwerbsarbeit (5 – 6 Stundentag) und die Bereitstellung der notwendigen pädagogischen und pflegerischen Infrastruktur. Beispiele, wie das funktionieren kann finden wir im Bereich der alternativen Wirtschaft.