Von Stephanie Sandmann und Svenja Tollkühn
„Könnt ihr das riechen?“ Kaum hat sich an diesem Abend die Tür zu der kleinen süddeutschen Schreinerwerkstatt geöffnet, schlägt uns ein heißer, staubiger Luftzug entgegen. Sobald sich die Staubwirbel gelegt haben, können wir viele große Maschinen,  Sägen, verschiedenste Werkzeuge und die Arbeiten, die vom Tag liegen geblieben sind und auf ihre Fertigstellung warten, erkennen. Aber riechen? Riechen können wir nichts. Nur das Sägemehl, das in der Luft liegt und uns husten lässt. Isabelle* grinst uns wissend an.

Begonnen hat die 20-Jährige ihre Schreinerausbildung vor etwa zwei Jahren, nach dem Abschluss der Fachhochschulreife. „Ich wollte etwas Praktisches und […] noch etwas Kreatives machen“, erzählt sie uns zu Beginn der Führung durch ihren Lehrbetrieb. Isabelle ist eine der wenigen jungen Frauen, die sich in Deutschland nach der Schule für eine Schreinerausbildung entscheiden. Laut dem Bundesverband ‚Tischler-Schreiner Deutschland‘  liegt die Zahl der weiblichen Azubis bei unter zehn Prozent. „Es gibt zwar mehr Schreinerinnen als man denkt, aber komischerweise verbinden alle die Arbeit am Holz mit etwas Männlichem.“


Sie nennt verschiedene Gründe, warum sie sich trotz allem für eine Schreinerlehre entschieden habe. Als Hauptgrund gibt sie jedoch die Kindheitserinnerungen an, die sie mit dem Geruch von Holz verbindet: „Meine Großmutter hatte diesen alten Holzschrank, in dem sie das Geschirr aufbewahrte […] und ich fand es toll, wenn das Geschirr dann nach Holz gerochen hat“, schwärmt Isabelle leidenschaftlich. Dass die Suche nach einem passenden Lehrbetrieb allerdings nicht immer einfach war, zeigen vor allem die vielen Absagen. Generell brauche es viel Glück und Hartnäckigkeit und auch ein bisschen Vitamin B, um überhaupt einen Platz zu bekommen.

Zwar wirbt oben genannter Bundesverband damit, dass die Arbeit heutzutage körperlich weit weniger anstrengend sei als früher, da mehr Maschinen zum Einsatz kommen und die Arbeit erleichtern, allerdings stoßen auch junge Männer schnell an ihre Grenzen. Gepaart mit der klischierten Vorstellung der körperlich schwachen Frau lehnen viele Betriebe die Ausbildung von Frauen daher grundsätzlich ab. Als Erklärung heißt es dann schlicht: Frauen stellen wir nicht ein. Dass es wirklich hin und wieder Momente gibt, in denen ‚frau‘ einmal Hilfe beim Heben braucht, gibt Isabelle gerne zu – für Männer gelte dies aber genauso. „In solchen Situationen bereut der Chef, glaube ich, auf meinen Vater gehört und mich eingestellt zu haben.“ Wie wir im Folgenden erfahren, wurde Isabelle erst nach einem längeren Gespräch zwischen Vater (!) und Schreiner-Meister eingestellt.

„Am ersten Tag war ich total aufgeregt und motiviert, so wie eben immer, wenn etwas Neues anfängt. Aber ich habe gedacht, das wird schon. In der Schreinerei dann war alles irgendwie komisch – ich hatte mir schon irgendwie gedacht, dass es vielleicht Probleme gibt, weil das halt eben alles Männer sind, aber dass es so schlimm wird … Ich habe die Aufgabe bekommen, das Werkzeug zu sortieren. Also das, das sie mit auf die Montage-Besuche nehmen. Als ich abends heim gekommen bin, war ich total gefrustet. Niemand hat mit mir geredet oder mich auch nur beachtet. Und dabei meinte der Chef doch, dass er das mit allen geklärt hätte und die es gut finden, dass mal eine Frau kommt. Naja, irgendwann bei der Frühstückspause sagte mal einer zum anderen: ‚Nein, das erzähl ich dir mal wann anders, oder gleich an der Werkbank, hier muss man ja jetzt aufpassen, was man sagt‘ – und dann hat er mich angeschaut. Ich habe in den ersten Wochen da dann ehrlich überlegt, ob ich aufhören soll. Nicht, dass es mir keinen Spaß gemacht hätte, man hat mir auch vieles gezeigt, aber wirklich respektiert hat das keiner, also dass ich das ernsthaft und wirklich machen möchte“, erzählt Isabelle ein bisschen niedergeschlagen.

Seit der Sohn des Chefs mit in die Werkstatt eingestiegen ist, sei allerdings alles ein bisschen besser geworden. An dieser Stelle fragen wir uns jedoch, warum es ein so großes Problem darstellte, uns die Werkstattbesichtigung während der Arbeitszeit zu ermöglichen. Schon beim ersten Treffen mit Isabelle wurde deutlich, dass es eventuell schwierig werden könnte, den Chef vom Sinn einer solchen Reportage zu überzeugen. Das Beharren auf Anonymität seitens Isabelles einerseits sowie die für Interview und Führung gewählte Tageszeit (nämlich nach Feierabend) andererseits lassen jedoch darauf schließen, dass man auch nach zwei Jahren noch nicht vollends hinter der Entscheidung, eine Frau in einem von Männern dominierten Berufsfeld auszubilden, steht.

Für uns bleibt dieses Verhalten nicht nur aus Sicht aktueller Genderdebatten schleierhaft, sondern vielmehr, weil  Isabelle einen enorm engagierten und verantwortungsbewussten Eindruck macht –  ganz zu schweigen von ihrer leidenschaftlichen Begeisterung für die Arbeit mit Holz, die sogar uns in ihren Bann zieht: „Wisst ihr, viele verstehen das nicht. Ich glaube auch, dass viele das hier in der Werkstatt nicht verstehen. Für die ist das einfach nur ein Job. Aber für mich ist es, nun ja, das Holz riecht, es hat einen Charakter, kein Holz lässt sich gleich sägen oder reagiert gleich auf egal was. Das Holz lebt für mich. Es erzählt mir etwas. Es liegt also quasi an mir, das zu verstehen, was es mir erzählt. Das fasziniert mich am meisten am Holz, dass es sich noch verformt und zwar auf Jahre, nachdem es geschlagen worden ist. Es arbeitet, sagt man ja. Und das als Schreinerin so hinzubekommen,  dass sich das Teil, was auch immer es ist, nach Jahren nicht so verzogen hat, dass man es nicht mehr erkennt, darin liegt für mich die Herausforderung.“

Auf unsere abschließende Frage hin, ob Frauen also doch nicht so ungeeignet für den Schreinerberuf sind, wie auch heute noch vorgebracht wird, lacht Isabelle nur. Frauen seien sogar besser geeignet als mancher  Mann. Frauen sollten sich generell Handwerksberufen etwas aufgeschlossener und selbstbewusster nähern, meint Isabelle – auch wenn es nicht immer einfach ist und oft viel Mut und eine dicke Haut braucht.

*Name von der Redaktion geändert