Die alltägliche Dimension von Sex: Interview mit Goodyn Green
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Die aff Galerie zeigt mit „From Our Rooms“ die Arbeiten von Goodyn Green, Alexa Vachon und der MISSY-Fotografin Paula Winkler. Alle drei Fotografinnen setzen sich mit dem Konzept von Queer und der Frage nach normativen Geschlechterrollen auseinander. MISSY traf die Fotografin und Filmemacherin Goodyn Green, um über ihr Projekt „Between Sheets“ zu sprechen, das in der Ausstellung zu sehen ist.
Von Julia Martin
MISSY: Was ist die politische Intention hinter deiner Fotoserie „Between Sheets“?
Goodyn Green: Das Projekt basiert darauf, dass ich Frauen in verschiedenen intimen Situationen fotografiere und mich selbst dabei in die fiktive Rolle ihres Liebhabers begebe. Wenn du sonst Fotos dieser Art siehst, dann werden diese meistens von einem männlichen Fotografen gemacht – also habe ich versucht, mich selbst in diese Rolle zu begeben, der männliche Fotograf oder Liebhaber dieser Frauen zu sein. Es war vielmehr als eine Art Dokumentation gedacht, doch schnell wurde mir klar, dass ich von dieser Idee des fiktiven Liebhabers wegkommen wollte. Zunächst war es sehr schön, den Liebhaber zu spielen, aber ich wollte mich dann stärker auf den politischen Aspekt konzentrieren. Das Projekt entwickelte sich schließlich dazu, dass ich verschiedene Frauen in ihren Leben porträtiere und sie einfach beobachte.
Ich versuche weiterhin, den Male Gaze auf Frauen kritisch zu hinterfragen. Gleichzeitig frage ich mich, ob es einen Unterschied macht, wenn eine Frau diese Art von Fotografie macht. Für mich persönlich ist es meistens so: Wenn ich einen Film oder Bilder sehe, dann ändert das meine Wahrnehmung, wenn ich weiß, wer dahinter steht, ob es eine Frau oder ein Mann ist. Ich denke, dass ist meine Art, mit meinen Fotos Politik zu machen. Die ganze Frage hinter dem Projekt ist also: Ändert sich die Wahrnehmung des Publikums, wenn es weiß, dass eine Frau die Bilder gemacht hat?
In deinem anderen Projekt „The Catalog“ zeigst du queere Frauen in typischen Posen, die man sonst in schwulen Pornomagazinen finden kann. Es fällt auf, dass du Symbole und Posen benutzt, die männlich konnotiert sind und sogar vielleicht Unterdrückung von Frauen versinnbildlichen. Möchtest du damit den Male Gaze auf eine subversive Art unterwandern oder möchtest du einfach nur eine neue lesbisch_queere Sichtweise in erotische Fotografie bringen, die sich zumeist an ein heterosexuelles oder schwules Publikum richtet?
Grundsätzlich gibt es für mich nicht so den großen Unterschied, wenn du von dieser Art der Fotografie ausgehst. Ich kann meistens nicht genau sagen, ob ein Mann oder eine Frau hinter der Kamera stand, aber so oft ist es ein Mann, der die Frau betrachtet und ablichtet. Warum schauen Frauen nicht andere Frauen auf diese Art und Weise an und warum werden Frauen von anderen Frauen nicht so gesehen? Mit „Between Sheets“ wollte ich einfach ein Feld übernehmen, dass so stereotyp ist.
Für mich persönlich ist es wichtig zu wissen, dass die Frauen, die ich fotografiere, queer sind oder zumindest damit okay sind, dass andere Frauen sie auf eine sexuelle Art betrachten. Als ich aufgewachsen bin, gab es so etwas für mich gar nicht. Ich hatte all die kleinen Queers in meinem Kopf, als ich diese Fotos gemacht habe, die vielleicht dazu masturbieren und dass dies okay ist. Ich hatte früher immer das Gefühl, zu wissen, dass dieses berühmte Model oder die Schauspielerin heterosexuell ist, hinderte mich daran, beim Masturbieren vollkommen in diese Fantasie einzutauchen. Das Wissen, dass diese Frauen alle queer sind, macht es okay, von ihnen zu träumen. Das war der Grund, warum ich „The Catalog“ gemacht habe und das versuche ich auch immer im Hinterkopf zu behalten, wenn ich erotische Fotos mache.
In „Between Sheets“ zeigst du Frauen in den verschiedenen Stadien des Ausziehens. Meistens findet dies in ihren eigenen Räumen, auf ihren eigenen Betten statt. Du kreierst eine Atmosphäre, in der das Subjekt mit sich selbst beschäftigt ist, aber sich trotzdem immer bewusst ist, gerade fotografiert zu werden. Was findest du so faszinierend an diesem Moment zwischen Fotografin und Model? Ist es eine Mischung aus Voyeurismus und dem Zeigen einer weiblichen, selbstbewusste Stärke in einer solch intimen und vielleicht unangenehmen Situation?
Der Voyeurismus ist für mich nicht so wichtig. Ich weiß gar nicht, was ich für mich selbst daraus ziehe, Leute zu fotografieren und oft merke ich nicht ein mal, das sie nackt sind. Das realisiere ich oft erst nachher.
Für mich geht es darum, Nacktheit so normal wie möglich machen zu wollen. Es sollte nichts sein, wovor wir Angst haben, aber natürlich verstehe ich total, dass es für jemanden, der_die mich nicht kennt, schwer sein kann, nicht schüchtern vor der Kamera zu sein. Ich weiß, dass die Mehrheit der Leute die Vorstellung erschreckend findet, nackt zu posieren, aber das ist genau diese weibliche Stärke, die ich zeigen möchte.
Mein Ziel ist es, dass das Model sich gut fühlt. Ich möchte nicht, dass es eine große Sache ist, dass die Models nackt sind. Das ist auch der Grund, warum ich Pornos drehe. Es ist keine große Sache, dass Menschen miteinander Sex haben.
Die Mehrheit der von dir porträtierten Leute passen in ein Berlin-typisches Muster von Female Masculinity. Wie kommt es dazu, dass du dich auf diesen einen Typ konzentrierst? Was ist mit den queeren Femmes?
Das ist auf jeden Fall wahr, wenn du an „The Catalog“ denkst, aber in „Between Sheets“ zeige ich auch Frauen, die nicht diesem maskulinen Typ entsprechen. Ich wollte ein bisschen mehr mischen und verschiedene Arten von Frauen zeigen. Aber die Models sind alles Freund_innen von mir und 2009, als „The Catalog“ geschossen wurde, war dieser androgyne Style sehr populär.
Aber im Laufe der Zeit hast du den Stil deiner Models erweitert?
Für „Between Sheets“ war es einfacher, feminine Frauen mit z.B. langen Haaren zu finden. Ich muss zugeben, zuerst war ich ein bisschen ängstlich vor dieser Femininität, aber es geht mir mittlerweile nicht mehr um den Typ Frau, sondern vielmehr um die Tatsache, dass sie sich als queer identifiziert.
Bei „The Catalog“ dachte ich so: diese Frauen sind genau das, worauf ich stehe und heiß finde. Ich wollte meinen eigenen Masturbations-Katalog machen. Aber das ist jetzt schon vier Jahre her und ich habe mich ein bisschen geöffnet und möchte mehr als nur diesen einen Typ Frau zeigen.
Du bist ja nicht nur für deine teilweise sehr expliziten Bilder, sondern auch für deine Pornofilme bekannt. Gerade hast du auf dem letzten Pornofilmfestival die Premiere deines Filmes „Shutter“ gefeiert. Wo liegt für dich der künstlerische Unterschied zwischen einer erotischen Bilderserie und einem Porno?
Es ist nicht so, dass ich das eine mehr machen möchte, als das andere. Ich möchte definitiv mehr Pornofilme drehen, aber auch damit weitermachen, zu fotografieren.
Ich würde auch gerne mehr explizite Fotos machen, aber ich habe den Eindruck, es ist schwerer für jemanden, sich so explizit fotografieren zu lassen. Das Bild ist unbewegt, es ist einfach in your face. Es verändert sich nicht, sondern zeigt einfach deine Cunt an der Wand.
Das war, was ich am Fotografieren schade fand: Ich wollte mehr Cunts! Aber beim Filmemachen habe ich nicht so den Drang, den Fokus so auf die Vulva zu legen. Beim Porno brauche ich nicht so die Nahaufnahme – die Leute bewegen sich und du siehst auch andere Körperteile. In der Fotografie hingegen finde ich es richtig toll, ein Close-up der Vulva zu sehen, denn es gibt dort so wenig.
Du sagtest einmal in einem Gespräch, dass es schwer sei, gute lesbische Pornos und Erotica zu finden. Aber was ist dein persönliches Ziel dabei, erotische Fotografie und Filme zu machen? Möchtest du einfach ästhetische Pornografie anbieten oder geht es dir auch um Tabubrüche, Provokation oder Sichtbarkeit?
Die Idee, einen Film zu machen, kam, weil ich einfach eine bestimmte Ästhetik vermisst habe, die mich selbst anmacht und die ich heiß finde. Da gab es keinen anderen Grund.
In der Fotografie provoziert es viel mehr Menschen, wenn eine Vulva gezeigt wird, im Porno hingegen nicht, da es dort anscheinend erwartet wird. Ich mache mir nicht so viel aus Provokation oder Aufmerksamkeit.
Ich möchte nicht provozieren, aber ich scheine Tabus zu brechen. Wenn eine Menge an Leuten findet, dass ich provoziere, dann muss es auch ein Tabu geben, dass ich breche. Dessen bin ich mir bewusst. Ich glaube, ich mag es, ein bisschen an der Oberfläche der Tabus zu kratzen, aber ich nicht die feste Absicht, zu provozieren. Es geht mir vielmehr um Aufklärung und Bildung.