Als Anzeigenleiterin bringt Andrea für Missy das Geld in den Laden, als Künstlerin häkelt sie ihre weltbekannten Penisse: Das ist unser Allroundtalent Andrea Pritschow. Der Phallus kann im öffentlichen Erscheinungsbild ganz niedlich sein, wenn er aus seinem sonst hypermaskulinen Kontext gerissen wird. Die Huffington Post versteht die Kunstobjekte als feministische Intervention in Maskulinitätskonstruktionen und fragt: „Habt ihr jemals zuvor solch einen bezaubernden Phallus gesehen? Wir ganz sicher nicht.“ Wir auch nicht. Zu sehen gab es Andreas Kreationen schon in Zürich und Mailand im Museum.

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Foto: Alfred Jansen

Ein Buch mit ihren bunten Woll-Erektionen ist 2011 erschienen – mit dem klangvollen Namen „Cockpit“ und einem Vorwort von Wenzel Storch. Missy-Sonja Eismann hat sie in der Missy 03/10 dazu befragt:

Sonja Eismann: Was war zuerst da – das Interesse am Häkeln oder am Penis?
Andrea Pritschow: So genau kann ich das nicht sagen. Neue Gestaltungstechniken probiere ich eigentlich ständig nebenbei aus. Irgendwann hab ich mir eine Häkelnadel besorgt und einfach drauf los gehäkelt. Ebenso zufällig kam die Penisform. Mir gefiel aber sofort der Kontrast zwischen dem eigentlich pornografischen erigierten Penis und der Verniedlichung durch das Häkeln.

Wieso gerade Penisse?
Die Kunstgeschichte wimmelt von weiblichen Akten. Mir sind dagegen nur sehr wenige Frauen bekannt, die männliche Nacktheit in der Kunst abbilden. Dabei erscheint es mir sehr natürlich, als heterosexuelle Frau dieses Motiv zu wählen. Man kann meine Objekte durchaus als Hommage verstehen. Allerdings stelle ich ja ganz bewusst nur einen Teil des männlichen Körpers dar. Mir gefällt die reduzierte, abstrahierte Form.

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Foto: Alfred Jansen

Also ist das für dich auch eine Frage der Gleichberechtigung?
Zu Anfang wollte ich mich mit meinen Objekten vor allem über die Übersexualisierung der Gesellschaft lustig machen – die ja außerdem noch zumeist aus der Vermarktung weiblicher Sexualität besteht. Ich stelle männliche Sexualität nicht nur nach meinen Wünschen dar und öffentlich aus, ich verkaufe sie auch. Je länger ich mich aber mit der Angelegenheit auseinandersetze, desto interessanter wird das Thema für mich. Zum Beispiel die pornografische Grauzone: Die Abbildung von realen Erektionen ist ja in der Öffentlichkeit nicht erlaubt. Exhibitionistische Handlungen sind in Deutschland verboten, können aber seltsamerweise nur von Männern ausgeführt werden. Alle meine Figuren sind permanent erigiert, potent, allzeit bereit. Mir gefällt die Anspannung, das Überreizte, diese unnötige und vergebliche „Liebesmüh“. Die Reduktion auf die Funktion, das Funktionieren.

Die Cocks haben ja ganz unterschiedliche Formen. Inspiriert dich da Reales oder die Fantasie?
Noch nie habe ich mit oder nach Modellen gearbeitet. Mich interessiert eigentlich nur die freie Form, ohne Plan oder Skizze, einfach drauflos. Ich verwende nie Häkelvorlagen.
Was waren die interessantesten Reaktionen, die du bis jetzt bekommen hast?
Einen besonders schönen Moment gab es bei einer Ausstellung in Heilbronn: Auf der Vernissage waren zu einem gewissen Zeitpunkt außer mir nur Männer anwesend, die lauthals vor der Tür über die Ausstellung diskutierten. Es war sehr interessant, sich das anzuhören. Was ich auch immer sehr lustig finde, ist, wenn Männer sich durch meine Pimmel provoziert fühlen. Die reagieren dann gerne mit anzüglichen, anonymen E-Mails, und jedes Mal denke ich: Treffer, versenkt! Betrunkene Männer wollen immer gerne erzählen, welche der Häkelpimmel am ehesten aussehen wie ihrer. Sehr interessant ist für mich, dass große Objekte bisher ausschließlich von – soweit es mir bekannt ist – heterosexuellen Männern gekauft wurden.

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Foto: Alfred Jansen

Wirst du denn auch von Frauen gesammelt?
Ja. Pimmel-Besitzerinnen haben mir erzählt, dass man die Pimmel als guten Indikator verwenden kann, um bei neuen Bekanntschaften zu klären, ob es sich um Männer handelt, die mit sich und ihrer Sexualität im Reinen sind. Allgemeiner Konsens ist hier, dass diejenigen, die das nicht sind, extrem ablehnend reagieren. Ich selbst komme aus einer klassischen Arbeiterfamilie. Meine Mutter findet es toll und unterstützt, dass ich Kunst mache. Das Thema der Arbeiten empfindet sie allerdings als sozialen Selbstmord!