Die Musikerin, Theatermacherin und ehemalige Nachtschwärmerin schreibt darüber, wir ihr Leben sich verändert hat, seit Tochter Ella (6) früh raus und also auch früh ins Bett muss.

Illustration: Carolin Löbbert
Illustration: Carolin Löbbert

Ja, ins Bett müssen wir alle einmal. Früher oder später. Und im Moment heißt das früher, denn wir müssen morgens um viertel vor sieben aufstehen. Warum? Es gibt noch ein großes I in unserem Leben: In die Schule. Seit ein paar Wochen geht meine Tochter in die Schule. Wer hätte das gedacht? Ich nicht. Ich dachte, das überspringen wir einfach mal. Aber jetzt geht es tatsächlich los. Bis jetzt sind wir selten vor neun aufgestanden und nie vor zehn in der Kita angekommen. Das ist natürlich ein Luxus, aber wozu bin ich Künstlerin geworden? Um jetzt wie alle anderen morgens um sieben mit den Vögeln aufzustehen und ab Viertel nach acht am Schreibtisch zu sitzen und wie eine fleißige Biene bunte Lieder zu bestäuben? Ich bin doch eine Nachtschwärmerin …
Früher gab es viele Nächte, nach denen ich morgens um sieben frühstücken ging, um mich dann ins Bett zu legen, wenn die anderen Idioten zur Arbeit gingen. Das ist jetzt wohl vorbei. Na ja, sagt da meine alleinerziehende Freundin: Du musst das ja nur die Hälfte der Zeit machen, die andere Hälfte ist sie beim Vater. Da hat sie recht, denke ich, es hat alles immer zwei Seiten. Ella sieht die andere Seite. Es gibt so viel Neues zu entdecken mit Esperanca, Junia, Ezgi und Achmed. Wir wohnen in Berlin-Mitte an der Grenze zum Wedding. Die Mauer steht immer noch und trennt jetzt deutsch und nicht deutsch bzw. Armut und Mittelstand. Ella geht in die Schule im Wedding. Sie weiß, dass Wedding heiraten heißt, und findet es romantisch. Die Diskussionen um die fehlende Integration sind glücklicherweise an ihr abgeglitten. Alle Kinder aus unserer Nachbarschaft haben sich in die deutschen Mitte-Schulen gemogelt, und die Argumente sind immer die gleichen. Wieso soll unser Kind ausbaden, was die Politik versäumt hat? Aber wie soll die Politik die ganze Zeit ausbaden, was die Menschen versäumen?
Eine Nachbarin sagte mir neulich, es ginge ihr ja nicht um die Migrantenkinder, sondern um die ganzen Prolleltern. Sie will doch auch mal einen Kaffee trinken und sich unterhalten. Für so einen exklusiven Latte
Macchiato ist man auch mal bereit, 700 Euro für eine Privatschule zu bezahlen. Wenn ich ehrlich bin, möchte ich mich lieber mit den Kindern unterhalten, und ich hoffe, dass ich in der nächsten Zeit endlich ein paar türkische Eltern kennenlerne, die uns nächstes Jahr aufs Zuckerfest einladen.

Von Bernadette La Hengst