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Ada, Countess of Numbers

Eine Ausstellung räumt mit dem Klischee auf, dass Computer schon immer Männersache waren – tappt dabei aber selbst auch in einige Klischeefallen

13.11.15 > Kunst

Eine Ausstellung räumt mit dem Klischee auf, dass Computer schon immer Männersache waren – tappt dabei aber selbst auch in einige Klischeefallen Von Thorben Mämecke

Bild: Thorben Mämecke
Bild: Thorben Mämecke

„The analytical Engine weaves algebraical patterns Just as the jacquard-loom weaves flowers and  leaves” Ada Lovelace

Als im Jahr 2011 die Räumlichkeiten einer Bielefelder Alt-Herren-Kneipe zu einem Hacker-Space umfunktioniert wurden, suchte man lange nach einem neuen Namen. Was könnte sich eignen, die Kernelemente einer emanzipatorischen Coding Culture angemessen widerzuspiegeln? Der Name „Ada’s“ war dabei schnell im Gespräch, wurde letztlich aber verworfen. Zu kryptisch erschien die Urgestalt des Programmierens, Ada Lovelace, den BielefelderInnen als Namensgeberin. Schade. Jedoch: Vier Jahre später betitelt der gleiche  Name im nur wenige Kilometer entfernten Heinz-Nixdorf-Museum nun eine Ausstellung über weibliche Vordenkerinnen moderner Informationstechnik. Die Sonderausstellung „Am Anfang war Ada“ erzählt die Geschichte des Computers damit erstmals beginnend bei einer Frau. In der obersten Etage des Heinz Nixdorf Forums, wo die Sonderausstellung noch bis zum Sommer 2016 residiert, erwartet die BesucherInnen gleich nach der Rolltreppe eine begehbare Chronik. Sie besteht aus Texttafeln, Fotocollagen, Videodisplays und retro-futuristisch anmutenden Rechenapparaturen, die sich schlauchförmig und in gedimmten Licht durch annähernd 200 Jahre Computerevolution schlängeln. Die Ausstellung erzählt die Geburt des Computers beginnend mit der Geburt der adligen Augusta Ada Byron King, Countess of Lovelace. Bereits 1842 nahm diese in einer visionären Abhandlung grundlegende Elemente der späteren Computerentwicklung vorweg und wird heute trotz ihrer geringen Bekanntheit – d.h. gering außerhalb von feministischen oder geekigen Kreisen, wo sie als Pionierin verehrt wird – weithin als die erste Programmiererin der Geschichte betrachtet. Mit immensem Enthusiasmus arbeitete sie vor allem an Lochkarten-Programmen für die Analytical Engine, einer fabrikhallengroßen Rechenmaschine des Ingenieurs Charles Babbage. Dieses 55.000-Teile-Puzzle wurde jedoch nie ganz zusammengesetzt und blieb zu ihren Lebzeiten daher lediglich die Projektionsfläche mathematischer Träume.

Ohne Ada hätte es Techno nie gegeben

Dem hardwarefokussierten Ausstellungsstil des Nixdorf-Museums ist daher durchaus auch eine gewisse Verlegenheit bei dem Versuch anzumerken, das gestaltlose und zugleich doch kolossale Lebenswerk der Computer-Pionierin ansprechend zu inszenieren. Anstelle der Analytical Engine erwarten die Besucherin in der Ausstellung daher einige Ausfallschritte – z.B. in das Metier des Steam-Punk, der sich selbst aus den kühnen Visionen damaliger Avantgardistinnen speist und nüchterne Wissensgeschichte seit jeher elegant mit den Elementen verschiedener Fantasy-Pop-Art-Strömungen zu vermischen weiß. Ein messingbeschlagenes Computer-Terminal aus Schreibmaschinenteilen und kleinen Zahnrädern ermöglicht hier nicht nur die Navigation durch die wichtigste Schrift von Lovelace – die umfangreiche Ergänzung eines Vortrags von Babbage –, sondern greift gleichzeitig die Frage auf, wie die viktorianische Epoche ausgesehen hätte, wenn den Computertheorien der damaligen Zeit tatsächlich schon der Durchbruch in die Realität gelungen wäre. Es war vor allem Lovelace und ihr unbefangener Spaß am Gerät, der das schier unbegrenzte Potential einer universell programmierbaren Maschine offenlegte. Anders als die meisten ihrer Zeitgenossen betrachtete sie die Analytical Engine nicht nur als Hilfsapparatur für den steigenden Rechenaufwand in den Ingenieurs- und Naturwissenschaften. Sie hingegen strengte auch Überlegungen dazu an, durch den Einsatz der Engine ein sicheres System für Pferdewetten zu erfinden oder durch die Übersetzung auf elektrisch-mechanischem Weg Musik komponieren und abspielen zu können.

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Emanzipations- und Technologiegeschichte im Schnelldurchlauf

Im Anschluss an die Geschichte von Ada Lovelace folgt die Ausstellungschronik noch weiteren weiblichen Koryphäen der Computerentwicklung, wobei sich die Fenster des Zeitkorridors mit zunehmender Annäherung an die Gegenwart fortlaufend verkleinern. In immer kürzeren Abständen behandelt die Ausstellung die Beteiligung von Frauen an der geheimdienstlichen Dechiffrierarbeit während des Zweiten Weltkriegs, die Einflüsse von Programmiererinnen wie Grace Hopper, die mit der Erfindung des Compilers Lovelace‘ Traum von maschinell komponierter Musik zur Realität verhalf, oder die Eroberung der männlich geprägten Maker-Szene durch Vorreiterinnen wie Limor Fried. Zusätzlich werden die biografischen Texttafeln dabei durch eine Timeline emanzipatorischer Kämpfe und Unterdrückungsverhältnisse flankiert, welche die weiblichen Karrieren sozialhistorisch mit Blick auf das Frauenbild und den Wertewandel der letzten anderthalb Jahrhunderte einbetten. Die Ausstellung folgt dabei sichtbar der These, dass sich familiärer Geschlechter-Determinismus bis heute schrittweise in der Gleichstellung und den unbegrenzten Möglichkeiten technologieenthusiastischer D.I.Y.-Kulturen auflöst: Wohingegen das zeitgeschichtliche Werk Ada Lovelace‘ noch pränatal bei der Beschreibung ihrer Eltern, Lehrerinnen und Unterstützerinnen ansetzt und die Frage nach den Hervorbringungsbedingungen ihrer für diese Zeit atypischen Lebensgeschichte damit latent dem Einfluss ihres besonderen Umfeldes zugeschrieben wird, fokussiert die Ausstellung gegen Ende sehr viel stärker auf das praktische Werk der Pionierinnen selbst. Dabei gelingt es allerdings nicht immer, die Computerentwicklung und die gesellschaftliche Emanzipation der Frau wirklich zu verbinden, anstatt sie nur kontrastierend gegenüberzustellen. So wird kaum danach gefragt, in welcher Weise bestimmte Geschlechterbilder zu unterschiedlichen Zeiten die technische Entwicklung von Hardware und Software selbst beeinflusst haben oder wie die Auseinandersetzung mit Computern selbst zu einer Arbeit an gesellschaftlichen Geschlechterbildern geworden ist. Die Ausstellung problematisiert zwar Zugangsbarrieren für Frauen in technischen Berufen und technologieaffinen Subkulturen, regt darüber hinaus allerdings kaum zu einer antiessentialistischen Auseinandersetzung mit verschiedenen Formen von Macht und Geschlecht in technologisch vermittelten Gesellschaften an. Vielmehr verharrt sie in einem Geschlechtermodell aus dichotomen Kategorien, wobei der Einfluss von Frauen auf die Software-Entwicklung mitunter kongruent zum gesellschaftlichen Rollenbild der fürsorglichen und einfühlsamen Frau als Erziehung des Computers oder Implementierung menschlicher und sozialer Komponenten beschrieben wird. „Am Anfang war Ada“ ist ein gelungener Vorstoß, um eine Technologieentwicklungsgeschichte zurechtzurücken, die nur eine Rolltreppe tiefer, in der Dauerausstellung des Museums, noch als eine rein maskuline Geschichte erzählt wird. Die fragmentarische Sammlung interessanter Informationen, Dokumente und Exponate lädt dabei zweifellos zu einer theoretischen Beschäftigung mit dem Zusammenhang zwischen Technologie und Geschlecht ein, obgleich sich ihre einzelnen Elemente, wie die der Analytical Engine selbst, nicht immer zu einem eindeutigen Gesamtbild zusammenfügen.

„Am Anfang war Ada – Frauen in der Computergeschichte“ Heinz Nixdorf Forum Paderborn Bis 10.07.2016 www.hnf.de/ausstellungen/ada-lovelace.html