Auch am Internationalen Frauentag werden Stimmen abseits des Mainstreams kaum gehört. Besonders seit dem rassistischen Backlash zur Silvesternacht in Köln steigt die rechtspopulistische Vereinnahmung feministischer Rhetorik. Wir sind der Meinung: Feminismus muss intersektional und ungemütlich bleiben. Deshalb übergeben wir heute das Mikro an zwei starke Bündnisse: Dem Statement des Migrationsrats Berlin-Brandenburg und der Demo „We Take the Power Back“, die heute Nachmittag am Kottbusser Tor in Berlin startet.

"KALANDIA, OCCUPIED PALESTINIAN TERRITORIES - MARCH 8: Palestinian women, Israeli, and international solidarity activsits march to protest the Israeli occupation on International Women's Day 2012." © rrodrickbeiler / Shutterstock.com
„KALANDIA, OCCUPIED PALESTINIAN TERRITORIES – MARCH 8: Palestinian women, Israeli, and international solidarity activsits march to protest the Israeli occupation on International Women’s Day 2012.“
© rrodrickbeiler / Shutterstock.com

 


Wir Frauen  – gegen Rassismus und für Würde

Wir:

  • Frauen mit Migrationshintergrund,
  • Schwarze Frauen,
  • Frauen of Color,
  • Frauen mit Kopftuch,
  • Frauen,  die wir seit Generationen in diesem Land leben und immer noch gefragt werden, wo wir herkommen,
  • wir Frauen, die wir gerade erst angekommen und Überlebende sind.

 

Wir Frauen fühlen uns seit der Silvesternacht 2015/16 benutzt und instrumentalisiert.  Wir fühlen uns von den öffentlichen Medien und von der Politik weit über die Grenzen der Bundesrepublik missbraucht und vergewaltigt. Unsere Körper werden für eine rassistische Politik und Gesetzgebung benutzt, die sich gegen unsere Väter, Brüder und Söhne, aber auch gegen unsere Mütter, Schwestern und Töchter wendet. Wir sehen nicht, dass die Skandalisierung sexistischer Gewalt in den Medien unsere Körper schützt.

Denn wir fühlen uns benutzt,  wenn unsere Körper instrumentalisiert werden, um neue “sichere Herkunftsstaaten” zu definieren, um neue Abschiebegründe zu definieren und um den Familiennachzug auszusetzen. Wir sehen unsere Schwestern und Mütter bedroht, weil Deutschland und Europa sie ertrinken lässt.

Wir fühlen uns von deutschen Männern benutzt, die in unserem Namen  ein neues “Asylpaket” verabschieden, das über das Lebensrecht von Menschen entscheidet, und damit  in Wirklichkeit Menschenrechte aussetzt. Dieses Gesetz gewährt kein Asyl, sondern stellt sich gegen diejenigen, die Tod, Trauma, Gewalt, Vergewaltigung, Hunger, Kälte, Hitze, Durst, … erlebt haben.

Erfahrungen, die die Politiker_innen  hierzulande nicht in der Breite und Tiefe kennen – und sich dennoch in ihrem Wohlfahrtsstaat bedroht fühlen. Aufgrund dieser emotionalen Lage wollen sie nicht teilen und Schutz anbieten. Sie fühlen sich bedroht, weil sie denken ihr Reichtum gründe auf rechtmäßiger und fleißiger Arbeit. Aber wir wissen auch, dass die ungerechte Plünderung von Jüdinnen und Juden und Sint*ezza und Rom*nja in Deutschland zur Zeit des Nationalsozialismus rechtmäßig war.

Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte, Jahre und vor allem der letzten Monate, in der rassistische Gewalt und Gesetzgebungen normalisiert werden, sind in der deutschen Geschichte nicht unbekannt. Es ist nicht unbekannt, dass in diesem Land “rechtmäßig” Menschen gebrandmarkt wurden – dass in diesem Land “rechtmäßig” Menschen aus dem öffentlichen Raum verwiesen wurden, dass sie ausgewiesen, geplündert, als Opfer durch den Staat zu Tätern erklärt und getötet wurden. Wir kennen die “rechtmäßige” Vorbereitung durch die Nationalsozialisten als Vorbereitung des Holocausts und die Fortsetzung von Diskriminierung und Gewalt nach der Shoah und Pharrajmos, insbesondere für Sint*ezza und Rom*nja und andere Opfergruppen.

Daher sind wir in hohem Maße besorgt, dass durch die tödliche Logik von “Obergrenzen” in Verbindung mit dem Gefühl der Bedrohung gesellschaftlich gezündelt wird – was sich in Gewaltakten gegen Menschen of Color, gegen Notunterkünfte und andere Lager zeigt.

Wir klagen den politischen Starrsinn an!

Wir klagen die rassistischen Gesetze und das neue “Asylpaket II” an!

Wir klagen die Benutzung unserer Körper an!

Wir klagen die Zustände an der LaGeSo in Berlin an!

Wir klagen die unterlassene Hilfeleistung der Verwaltung an!

Wir klagen den Missbrauch des breiten zivilgesellschaftlichen Engagements an!

Wir klagen die Benutzung nachbarschaftlicher und menschlicher Hilfe von Politik und Verwaltung, um sich aus der Verantwortung zu stehlen, an!

Wir klagen an, dass Migrationshintergrund ein offener beziehungsweise “augenscheinlicher” Diskriminierungsgrund ist, Einlass nicht zu gewähren, nach Papieren gefragt zu werden, verprügelt zu werden!

Wir fragen uns, steigt der Geist des Nationalsozialismus wieder auf?

Wir fragen uns, wird hier eine tödliche Politik vorbereitet, die im Mittelmeer und der Ägäis endet, außerhalb des Blickfelds von Deutschland?

Wir fragen uns, warum gibt es so wenig Widerstand gegen die tödliche Logik von ‘sicheren Grenzen’ und  ‘Obergrenzen’?

Wir fragen uns, gehört der Rassismus zu Deutschland?

Vor lauter Angst, Wut und Verzweiflung und dem Gefühl der Ohnmacht bleibt uns kaum noch Luft zum Atmen.

Wir sehen nicht, dass Deutschland sich abschafft, nein! 2015 waren wir davon überzeugt, dass Deutschland in Solidarität (auf-)steht, menschliche Größe und historische Verantwortung zeigt. Aber jetzt sehen wir seit Anfang des Jahres erneut, dass Deutschland sich von seiner kleingeistigen, ängstlichen und rassistischen Seite zeigt.

Wir fordern dringend dazu auf, gegen die Normalisierung von rassistischer Gewalt aufzustehen, weil wir die Demokratie gefährdet sehen!

Wir fordern auf, gemeinsam in die Zukunft zu gehen, denn wir sind alle Menschen und unsere Würde ist unantastbar!

 März 2016. Hier geht’s zum Statement auf der Seite des Migrationsrat Berlin-Brandenburg.


Demoaufruf: 8th March – International Women*´s Day of Struggle: We Take the Power Back!

Wir nehmen uns die Macht zurück!
We take the power back!
İktidarı geri alıyoruz!
ما قدرت خود را دوباره بدست ميگيريم
Retomamos el poder!
   سوف نستعيد قوتنا
Мы возвращаем нашу власть!
Nous reprenons le pouvoir!
私たちはパワーを取り戻す!

Em desthilatê şûnde digirin!
  
قدرت را پس می گیریم
Ci riprendiamo il potere!
Preuzmimo Moć
Estamos pegando o poder de volta!

 Wir nehmen uns die Macht zurück!

Als Frauen* sind wir entschlossen, in vorderster Reihe zu kämpfen. Das Patriarchat ist die Basis des imperialistischen und kapitalistischen Systems, welches auf der weißer männlicher Herrschaft beruht. Wir sind Frauen*, die sich gegen dieses System der Ausbeutung und Unterdrückung wehren.

Als Frauen*, die Krieg erfahren haben, die geflohen sind, die im Exil oder migriert sind, leisten wir Widerstand gegen die körperliche, psychologische und mentale Ausbeutung und Erniedrigung. Besonders Refugee Frauen*, die in Europa ankommen, stehen einem faschistischen Asylsystem gegenüber, welches sie in Lager zwingt, die keine Privatsphäre bieten und gleichzeitig isolieren. Dies führt dazu, dass Frauen* abermals allen Formen von Gewalt im privaten und öffentlichen Raum preisgegeben sind.

Sexismus ist nicht in die westlichen Schein-Demokratien importiertet. Auch Frauen*, die in diesen “Demokratien” aufwachsen, sind Akteure in der Logik ihrer Staaten, die aus Krieg, Kolonialismus und Ausbeutung besteht. Diese Frauen stimmen dieser Kriegslogik zu, verbreiten sie rassistische Propaganda und profitieren davon.

Wir werden diese Spaltung nicht zulassen und uns nicht an diesem bösen Spiel beteiligen, das Sexismus, Inter-Trans-Homo Diskriminierung, Rassismus, Klassismus, Antiromaismus, anti-muslimischer Rassismus und Ableism voneinander trennt.

Die Frauen* in Rojava sind ein gutes Beispiel für Frauen*, die gegen kolonialistische und faschistische Staatsmächte kämpfen. Die kurdischen Frauen in Nord-Kurdistan (Bakur) also im türkischen Teil von Kurdistan kämpfen für Selbstverwaltung und leisten seit Monaten eine starke Verteidigung gegen eine militärische Übermacht aus Militär und Söldnern.

Widerstand beginnt, wenn wir solidarisch miteinander sind und uns selbst und andere verteidigen und für die Freiheit auf der Grundlage von Gerechtigkeit kämpfen.

Wir rufen Frauen*, insbesondere proletarische Frauen (mit und ohne Papiere) dazu auf, gegen das kapitalistische Patriarchat zu kämpfen und in all ihren Lebensbereichen selbst zu bestimmen.

Für eine Gesellschaft ohne Kolonialismus und Kapitalismus!

Dienstag, 08.03.2016, Demonstration: 15.30 – Kottbusser Tor/Reichenberger Strasse (nur FLTI* = FrauenLesbenTransInter*), Rally: 17.00 – O­ranienplatz

International Women Space
Take Back
SKB: Sosyalist Kadinlar Birligi
Radical Queer Wagenplatz Kanal
olgaausdererstenreihe
KNK (Kurdistan National Kongress) Frauenkomitee in Berlin
HDK Berlin(Kadinlar)
Dest Dan
Rote Aktion Berlin
liebig 34
Gogo Trash Berlin