Von Lydia Meyer

REYKJAVÍKURDÆTUR – die Töchter Reykjavíks – ist DAS all-female Rapkollektiv aus der kleinsten Metropole der Welt. 19 Frauen rappen seit 2013 für mehr Diversität in der isländischen Hip-Hop-Szene und vor allem gegen Slut-Shaming und Victim Blaming an – in Island und im Rest der Welt. Jetzt launchen sie ihre Crowdfunding-Kampagne, mit deren Hilfe sie im Mai ihr erstes Album veröffentlichen wollen – ohne dass ihnen irgendjemand reinredet. Missy sprach mit Steinunn Jónsdóttir – einer der 19 Dætur – über die Reykjavíker Hip-Hop-Szene, Slut Walks und das Auftreten, ohne dabei perfekt sein zu müssen.

© Lydia Meyer
Steinunn Jónsdóttir ist Teil des 19-köpfigen Rap-Kollektivs © Lydia Meyer

Bei einem so kleinen Land frage ich mich: Warum rappt ihr nur auf Isländisch?
Wir kämpfen für unseren Raum hier. Im isländischen Hip Hop gab es nie viel Platz für Frauen, weil man uns nie beigebracht hat, den Mund aufzumachen. Wir haben in einem bestimmten Alter alle viel Rap und Hip Hop gehört. Unsere männlichen Freunde haben dann irgendwann selbst mit dem Rappen angefangen. Aber wir nicht. Ich zum Beispiel habe immer Lyrics geschrieben, mich damit aber nie vor ein Publikum gestellt.

Wieso hast du damals nicht angefangen zu rappen?
Weil ich mich nicht getraut habe und es einfach niemanden gab, auf die ich mich beziehen konnte – es gab einfach keine anderen weiblichen Rapperinnen in Island. Aber jetzt gibt‘s mit Reykjavíkurdætur vielleicht endlich ein Vorbild (lacht).

Wann und wie habt ihr denn dann angefangen?
Die meisten von uns haben vor etwa fünf Jahren mit dem Rappen begonnen. Manche waren jünger als andere. Vorher gab es insgesamt vielleicht vier weibliche Rapperinnen auf Island, seit es hier los ging mit dem Hip Hop. Jetzt veranstalten wir eine Girls Rap Night und Frauen kommen und die meisten rappen zum allerersten Mal in ihrem Leben und es ist so inspirierend zu sehen, wie alle einfach auftreten, ohne perfekt zu sein, es einfach tun und beim nächsten Mal schon viel besser sind.

Denkst du, dass durch Reykjavikurdætur mehr junge Frauen sich an Rappen trauen?
Ich denke schon. Plötzlich gibt es ganz viele junge Frauen, die selbst anfangen zu rappen. Da gibt‘s diese coole neue Band namens Vicious & Delicious und hoffentlich noch viel mehr Frauen um die 20, die jetzt sagen „Klar werd ich Rapperin“!

In euren Videos kommen sehr unterschiedliche Bilder vom „Frau sein“ zusammen. Ist das Konzept oder ergibt sich das einfach aus der Diversität der Frauen in der Gruppe?
Ja, ich glaube tatsächlich, dass jede einfach nur sie selbst ist. Manchmal haben wir ein Thema, manchmal kommen wir einfach wie wir Lust haben. Auf dem Iceland Airwaves im November sind wir zum Beispiel nur in Spanks aufgetreten, weil wir sehr oft auf unsere Outfits reduziert werden. Kritiken über Männer sehen nie so aus. Ich habe zumindest nie ein Konzertreview gesehen, in dem steht, dass Gísli Pálmi (Anm. d. Red. Rapper aus Reykjavik) tolle Klamotten anhatte. Vielleicht liegt es daran, dass er einfach eh nie welche anhat. (lacht) (Anm. d. Red. stimmt.)

Hat die Reduktion auf Spanks und Tops funktioniert?
Der Hauptfokus lag in diesem Fall wieder auf unserem Äußeren – obwohl wir ja eigentlich genau das Gegenteil erreichen wollten. Aber das war positive Aufmerksamkeit. Wir haben ja auch alle sehr unterschiedliche Körper.

Wie kam es zu der Hymne, die deine Band zum ganz analogen Slutwalk gemacht hat?
Die Szene hier ist ziemlich klein und Reykjavíkurdætur hatte bereits Lieder über Vergewaltigung und das ganze Zeug gemacht – und da haben die Organisator*innen des Slutwalks gefragt, ob wir eine Hymne schreiben. Drusla heißt Schlampe und es geht darum, die Schuld da zu verorten, wo sie hingehört – nicht beim Opfer.

Sind all eure Texte politisch?
Sie sind nicht alle politisch im buchstäblichen Sinn, aber sie haben alle eine Aussage. Es gibt zum Beispiel diesen Song, der übersetzt so etwas wie „I already banged him“ als Titel hat. Natürlich ist das irgendwie auch witzig, aber politisch in dem Sinne, dass es ein Thema behandelt, das wir speziell im Rap und Hip Hop sehr oft von Männern hören, nur sehr selten aber von Frauen. Für uns hat es also etwas Rebellisches, darüber zu singen und ich glaube, das tun wir ziemlich oft.