Von Katie Fenderl

Der „exzentrische Radikal-Chansonnier“ und „Sprachskeptiker“ Hans Unstern, „Performance Wunderkind“ und „Siebenkämpfer der Subkultur“ Tucké Royale sowie das „7-Billion-Dollar-Face“ Black Cracker als Produzent und Remixer aka „Berlin’s hottest Hip Hop artist at the moment!“ – so die knackige Selbstbeschreibung – bilden das Berliner Performance-Trio Boiband.

Hans Unstern, Tucké Royale und Black Cracker sind BOIBAND © Henrike Hannemann
Hans Unstern, Tucké Royale und Black Cracker (v.l.n.r.) über sich: „Boy mit I steht für die Problematisierung von Mannsein als Penis-Talent, für einen nachträglich erworbenen Stimmbruch, für die Selbstverständlichkeit schwangerer Daddies, für die Effeminisierung des Abendlandes und für die Gründung einer Stiftung um Begrüßungsgeld an Trans*leute zu verteilen.“ © Henrike Hannemann

Sie problematisieren unter anderem „das Mannsein als Penis-Talent“. Die „Bois“ eint, so ihre eigene Aussage, ein hoher Anspruch an die eigene Musik und deren Style. Klingt gut, aber noch nicht besonders charakteristisch. Spannend und pointiert wird es vor allem dann, wenn man sich die Methode ihrer musikalischen Zusammenarbeit anschaut und die performativen Wege, die sie einschlagen: die Songs beispielsweise werden erst kurz vor den Shows fertig gestellt – sie sind hiernach als wandelbares, fluides künstlerisches Produkt zu verstehen. Bis zur Premiere am 29.04.2016 in Hamburg bleibt es also spannend. Als Schmankerl vorab ein kurzes Meet and Greet im Interview mit den Dreien, außerdem der Weg zum brandneuen ersten Video: Lagerfeuerromantik inklusive!

Missy: Ihr alle seid Künstler, die sowohl im Musik- als auch Theaterkontext bereits einiges vorzuweisen haben. Wie habt ihr euch gefunden bzw. kam die Idee der Zusammenarbeit in dieser Konstellation auf?
BOIBAND: Vielleicht ist uns dreien gemein, dass wir versuchen, avantgardistische Zeichen und Sounds zu finden. Wir standen mal in derselben Toilettenschlange und haben festgestellt, dass wir alle drei auf der Suche nach neuen Sounds und utopischen Geschichten sind – und haben uns wohl ineinander verguckt. Das nächste Mal haben wir uns dann schon im Proberaum getroffen.

Ihr sagt, dass ihr mit euren Songs an die Stimmen einer jahrzehntelangen Bewegung anknüpfen und damit den gesellschaftlichen Übergang, die Transition, beschleunigen wollt. Was meint ihr damit?
Ja, das berührt eine politische Dimension der BOIBAND. Alle Songs wissen etwas über soziale Fragen und Positionen innerhalb der Gesellschaft. So wie in Susan Strykers Dokumentation über „Screaming Queens: The Riot at Comptons’s Cafeteria“ interessiert uns der Widerstand der Schwarzen Dragqueens in den 1960ern gegenüber der Polizei. Unsere Songs nehmen diese Courage wieder auf. Gleichzeitig finden wir, dass sich Songs durch die verschiedenen Zutaten von Lyrik, Sounds und Interpretation verselbstständigen. Wie Christiane Rösinger singt: „Es ist doch nur, weil meine Lieder immer schon klüger als ich sind.“

BOIBAND
Premiere am 29.04.2016 auf Kampnagel in Hamburg
Weitere Shows folgen ab dem 12.05., u.a. in Berlin im Maxim Gorki Theater (Studio Я).

Wer inspiriert euch, was treibt euch an?
Das sind zum Beispiel Marsha P. Johnson und Silvia Riviera. Aber auch Robert Eads und Leslie Feinberg. Wir lesen gern James Baldwin und treffen uns mit unseren Freund*innen, tauschen Bücher und Filme. Musik zu machen ist unsere Art und Weise, das mit anderen Leuten wieder zu teilen.

Ihr habt einen Song mit dem romantisch anmutenden Titel „Let’s Make Love On The Bikini Atoll“ geschrieben und beschreibt ihn als „eine Metapher für den Willen, ein gutes Leben in einer vergifteten Atmosphäre zu führen“. Klingt ziemlich krass und ermächtigend! Wie fühlt es sich für euch an, so viele persönliche Erfahrungen zu verarbeiten?
Wir kennen uns aus mit Widersprüchen und halten es da mit R.E.M., die singen „Living Well Is the Best Revenge“. Es geht ja auch immer darum, dass man selbst und die Bedürfnisse an ein gutes Leben nicht verkehrt sind. Da sind wir ziemlich stur und unerschüttert. Es ist doch eher krass, dass der Bikini als Kleidungsstück die Erinnerung an eine durch Atomtests verseuchte Inselgruppe verdrängt hat, weil der Westen seine Dominanz gegenüber den Bikinianer*innen, der Sowjetunion und Frauen im Westen zur Zeit des Kalten Krieges durchsetzen wollte.