Von Sonja Eismann

Ganz am Ende des Dokumentarfilms über Eva Hesse erinnert sich Wegbegleiterin Grace Wapner, wie die Künstlerin Freund*innen ihre Arbeit beschrieb. Dass die Materialien ihrer Werke vergänglich seien und eventuell in kommenden Jahren zerfallen könnten, kümmere sie nicht. Im Gegenteil: „Seht ihr dieses Glas hier?“, sagte sie. Sie griff das Glas und donnerte es gegen den Kamin, wo es zerbarst. „So ist meine Arbeit!“.

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Eva Hesse, um 1963. © Barbara Brown / Realfiction

Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits einmal an einem lebensbedrohlichen Gehirntumor operiert worden, der bald zurückkommen und sie mit nur 34 Jahren das Leben kosten sollte. Wie auch Eva Hesses Karriere nimmt der Film über ihr Leben zunächst langsam Fahrt auf und enthüllt erst Schritt für Schritt, was diese Postminimalistin zu einer der bedeutendsten Künstler*innen des 20. Jahrhunderts machte.

Mit Fotos von Eva und ihren Werken, Talking Heads von Freund*innen wie Sol Lewitt, Lucy Lippard, Dan Graham, Nancy Holt und Richard Serra und wenig animiertem Original-Footage nähert sich Regisseurin Marcie Begleiter in eher konventioneller Filmsprache dieser Persönlichkeit, die in ihren letzten Lebensjahren und vor allem nach ihrem Tod als beinahe mythisches Ausnahmetalent in der Kunstwelt gefeiert wurde.

Die traumatische Flucht ihrer jüdischen Familie aus Nazideutschland nach New York, während der sie zunächst allein mit ihrer älteren Schwester als Zweijährige bei unbarmherzigen holländischen Christen unterkam, der Selbstmord ihrer bipolaren Mutter nach der Scheidung der Eltern, die kurze Ehe mit dem ständig alkoholisierten und fremdgehenden Künstler Tom Doyle – all das konnte Hesse nach Anfängen in abstrakter (post)expressionistischer Malerei nicht davon abhalten, sich mit immenser Spiel- und Experimentierfreude neuen Materialien wie Latex, Plastik und Glasfaser zuzuwenden.

Unbenannt-1 Eva Hesse“ D/USA 2015
Regie: Marcie Begleiter
105 Min., Start: 28.04.

Die rahmensprengenden Skulpturen, die von der Kamera liebevoll abgefahren werden, erscheinen auch heute noch als das, was sie damals waren: atemberaubend neu und dabei erfüllt von einem sinnlichen Minimalismus und einer Liebe zur Textur des Materials, die sich in dieser Form bei niemand anderem finden ließ.