Von Tove Tovesson

In den Kommentaren zu Margarete Stokowskis  Kolumne über transfreundliche Unisextoiletten lese ich die Frage, „Wen betrifft denn das?“, im Sinne von: kenn ich nicht, kann mir egal sein, ganz demokratisch. Dazu noch der Vorschlag, „die“ könnten doch auf die Behindertentoilette gehen. Die paar Personen, die trans sind, und offensichtlich nicht im Leben dieser hilfreichen Kommentator*innen vorkommen. Sicher eine verschwindend geringe Zahl. Lohnt der Aufriss? Wobei das ja jetzt in Mode kommt und dann haben das jetzt bald alle, Gott steh‘ uns bei.

© Tine Fetz
© Tine Fetz

Über Toiletten diskutieren hat etwas Albernes. Vermutlich benutzen die wenigsten Menschen gerne öffentliche Toiletten, die meisten tun es aber dennoch. Diese kleine Überwindung wird man dann doch auch von anderen erwarten können, anstatt noch eine Diskussion darüber aufgenötigt zu bekommen. Und nun sollen auch noch Unisextoiletten die Lösung sein.

Das Argument, jede*r sei schon mal auf eine Unisextoilette gegangen, nämlich die eigene zu Hause, knirscht insofern, als dieser Raum i.d.R. nur von einer Person zugleich benutzt wird. Ähnlich in der Bahn, im Flugzeug oder bei den meisten barrierefreien Toiletten, die nicht in Damen und Herren unterteilt sind. Da ist gar kein Platz zum Gendern, wobei barrierefreie Toiletten dazu noch eine Art Entsexualisierung vornehmen, indem sie neben den Räumen für Männer und Frauen existieren. Ich vermute, es geht bei dieser Trennung von Klos überhaupt viel ums sexy bleiben. Mann, Frau, behindert, bitte wählen.

Der Vorschlag, Transpersonen sollten auf die Behindertentoilette gehen, ist doppelt perfide: Er kokettiert mit Behinderung als Abwertung, wird sich, sobald dies benannt wird, aber darauf zurückziehen, dass das eine behindertenfeindliche Interpretation sei. Hast du was gegen Behinderte?! Und er bedient das Stigma, dass Transness, Echtheit und Legitimität unvereinbar sind, insofern also gar kein Anspruch darauf bestehe, als Transfrau auf eine Damentoilette zu gehen.

Ginge eine Cisperson umständehalber mal auf eine Toilette, die nicht ihrem Geschlecht zugewiesen ist, mag das unangenehm, peinlich, gefährlich, egal oder irritierend sein, es griffe jedoch nicht ihre Identität an. Trans-Identitäten sind hingegen unter Dauerbeschuss. Als Transperson eine öffentliche Toilette zu benutzen, bedeutet immer, sich mit der äußeren Glaubwürdigkeit, dem passing, zu befassen, was sowieso ein schmerzhaftes Thema ist. Wie gut gehe ich als Mann oder Frau durch? Drauf geschissen, wenn es vielleicht gar nicht mein Ziel ist oder meiner Identität entspricht, Mann oder Frau zu sein oder hundertprozentig zu passen. Oder wenn ich nicht über die entsprechenden Ressourcen verfüge, das zu tun.

Wie lesen mich andere Menschen im Moment? Wo ist es gefährlicher für mich? Beispielsweise als Transfrau oder nicht-binäre Person am Anfang einer äußerlichen Transition. Wo fühlen sich andere bedroht durch mich? Beispielsweise als Transmann in der Mitte einer hormonellen Transition. „Men are afraid that women will laugh at them. Women are afraid that men will kill them.“ (Margaret Atwood) Als trans geoutet zu werden bedeutet insbesondere für Transfrauen ein hohes Risiko, Gewalt zu erleben. „Trans panic defense“ ist ein realer juristischer Begriff, der Gewalt gegen Transpersonen als panische Kurzschlussreaktion von Cispersonen rechtfertigt.

Binärgeschlechtliche Trennung von Räumen verwirklicht eine Grenze, die nicht existieren müsste, die uns aber allen eingetrichtert wird. Im Kindergarten bilden wir eine Reihe Jungen, eine Reihe Mädchen, im Schulsport bilden wir Teams Jungen gegen Mädchen, immer so weiter, bis dann alle wissen, Mädchen so, Jungen so, die Würfel sind gefallen und dazwischen gibt es nichts, kein Sein und keine Brücke.

Die Frage, wen das betrifft, beinhaltet schon ihre vernichtende Antwort: Niemanden. Aber das ist eine Lüge. Menschen, die trans sind, existieren radikalerweise trotz einer und in dieser Gesellschaft, die das nicht wahrhaben will. Was bin ich, wenn die Welt meine Existenz leugnet? Ein Gespenst im Niemandsland. Es reicht aber nicht zum Leben, verloren im Niemandsland rumzuspuken. Ignoranz tötet. Sie ist der Grund für Suizide, weil sie so glaubhaft macht, dass da kein Platz zum Leben ist, wenn nicht mal Platz zum Pinkeln ist.