Von Christina Hoffmann

Frauen wird gerne unterstellt, sie würden ihr Licht unter den Scheffel stellen und in Piepsmäuschenlautstärke den eigenen Erfolg sabotieren. Nun, leise ist Abigail Ulmans Debüt nicht. Weder der Titel „Jetzt alles sofort“ noch der Inhalt. Die Kurzgeschichten kreisen ums Verlieben und Entlieben, ums Verlassenwerden und darüber Hinwegkommen und vor allem um sehr viele erste Male. Die erste Abtreibung (das Kapitel trägt den schönen Titel „Die Rauszieh-Methode“), die erste Abschiebung („Hier kommen Sie mit Ihrem Charme nicht weiter“), das erste Mal einen viel jüngeren Freund haben („Der mit dem hübschen Gesicht“).

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Abigail Ulman © Kate Berry

Abigail Ulman kommt aus Melbourne, wo sie nach längeren Aufenthalten in Jerusalem, Paris, New York und Kairo wieder lebt. Sie studierte Creative Arts an der University of Melbourne und Fiction an der Stanford University in Kalifornien und arbeitet im Moment an einem Roman. Gerade ist sie für einen Monat in Berlin, natürlich in Neukölln, und überlegt hierher zu ziehen. Natürlich nach Neukölln.

Missy Magazine: Herzlichen Glückwunsch! Ihr Buch, zuerst in Australien bei Penguin Books veröffentlicht, erscheint nun auch im deutschsprachigen Raum. Woher kam die erste Idee für Ihren Kurzgeschichtenband?
Abigail Ulman: Ich wollte unbedingt aus der Perspektive und mit der Stimme junger Frauen schreiben. Historisch gesehen werden Teenagermädchen und junge Frauen hauptsächlich zum Objekt gemacht. Doch sie haben eine hohe Kaufkraft und sind das Ziel von Marketingkampagnen. Ich aber wollte beschreiben, wie es in ihnen ausschaut, all die Widersprüchlichkeiten, Aufregungen und Unsicherheiten benennen und Ernst nehmen.

Wie kamen Sie denn zu Ihrem Buchvertrag?
Die erste Geschichte „Chagalls Frau“ wurde von einer Literaturzeitschrift gedruckt, woraufhin mich mehrere Verlag kontaktierten. Ich hatte also das große Glück schon einen Vertrag für ein Buch zu bekommen, ohne dass das Buch fertig war. Aber genau das war dann auch mein Problem. Ich habe mich total gefreut – und konnte nicht mehr weiterschreiben.

Das erinnert mich an Ihre Geschichte „Plus Eins“, die so beginnt: „Amelia kam mit ihrem Buch nicht weiter, also beschloss sie, ein Kind zu bekommen.“
Schreiben hat sehr viel mit Selbstzweifeln zu tun.

Aber Sie hatten doch schon sehr viele positive Rückmeldungen: ein Stipendium um in Stanford zu studieren, einen Buchvertrag…
Das hat ja alles noch schlimmer gemacht! Ich kenne so viele Leute, von deren Talent ich überzeugt bin, die kein Verlag unter Vertrag nimmt.

Und wie ging es weiter?
Mit schlimmer Selbstzerfleischung! Immer, wenn ich auch nur einen Satz geschrieben habe, dachte ich: „Scheiße, das ist nie gut genug, um veröffentlicht zu werden.“ Nachdem ich in den angepeilten sechs Monate mein Buch noch immer nicht fertig hatte, habe ich das getan, was ich am Besten kann: Ich habe mich abgelenkt. Ich bandelte mit Leuten an, die mir nicht gut taten. Ich habe in einem Hipster-Klamottenladen gearbeitet, wo ich meinen ganzen Lohn sofort in Hipster-Klamotten reinvestiert habe, die ich dann bei der Arbeit im Hipster-Laden trug. Und weil ich ja immer noch Geld brauchte, habe ich andere Jobs angenommen.

ulman_alles_3D Abigail Ulman: „Jetzt alles sofort“
Aus dem australischen Englisch von Anna-Christin Kramer.
Kain & Aber, 368 S., 19,90 Euro.

Aber nun gibt es das Buch ja?
Irgendwann haben die Leute aufgehört, nach dem Buch zu fragen. Es hat wirklich niemand mehr geglaubt, dass ich das Buch je schreiben würde. Und siehe da! Auf einmal ging es wieder. Ich habe wieder angefangen, daran zu arbeiten. Ich kann es auch nicht genau erklären. Ich kann nur jedem und jeder raten: Macht weiter mit euren Projekten, euren Bands, euren Texten! Zeigt Leuten, denen ihr vertraut, eure Arbeit. Und lasst euch vor allem von Selbstzweifeln nicht zu sehr beeindrucken, die gehören dazu. Seid gespannt auf das Resultat. Und jetzt los!