Ist queerfeministische Mode-Ästhetik automatisch Radical Chic? Anna vom Label „Indyanna“ spricht mit Missy über ihre Arbeit, aktivistische Bezüge und das coole Lookbook ihrer Kollektion.

Missy: Wer und was steckt hinter eurem Label?

Anna: Ich heiße Anna, bin 27 Jahre alt und komme ursprünglich aus der Nähe von Hannover. Im Jahr 2011 habe ich meinen Abschluss als Modedesignerin an der Design Schule in Schwerin gemacht, danach wollte ich erstmal weg aus Deutschland und neue Dinge erleben, also bin ich daraufhin mit einer damaligen Freundin nach London gezogen. Dort haben wir dann unsere ersten Teile unter dem Namen „Indyanna“ entworfen und genäht. Im Jahr 2013 sind wir dann zurück nach Deutschland gezogen. Mein Traum war es immer, einen kleinen eigenen Laden für independent Designer*innen zu eröffnen, mit ausgefallenen und handgemachten Einzelstücken. Im März 2014 haben wir, damals noch zu zweit, unseren Laden „Coexist“ in Friedrichshain eröffnet. Da unsere Träume und Ziele immer weiter auseinander gingen, trennten sich unsere Wege und nun führe ich das Label Indyanna und den Laden allein weiter. Hinter dem Label Indyanna stecken ausschließlich handgemachte feminine Kleidungsstücke.

© Marina Fini
© Marina Fini

Wie wird produziert?
In meinem Laden habe ich ein kleines Studio, in dem ich die Teile für Indyanna fertige. Außerdem arbeite ich mit Schneiderinnen aus Berlin zusammen. Jedes Teil ist garantiert unter fairen Bedingungen handgemacht, das ist mir sehr wichtig. Wir müssen uns wieder von der Massen- und Überproduktion entfernen. Deshalb gibt es die Kollektionen auch nur in ausgewählten Läden „von der Stange“ zu kaufen.

Welche popkulturellen Einflüsse gibt es auf die Kollektionen?
Bei der „RIOTS START EVERYWHERE“ Kollektion haben mich viele Dinge beeinflusst, mit denen ich mich auch privat viel beschäftige, gerade was Musik und Politik angeht. Im letzten Sommer habe ich mir die Doku „Don’t look back“ von Bob Dylan angesehen, welche mich sehr beeindruckt hat, daher kommt zum Beispiel der Spruch auf einer der Jacken in dieser Kollektion: „Dont follow leaders“. Meine persönlichen Heldinnen sind Kathleen Hanna und Kurt Cobain, wer auch sonst. Musik ist meine größte Inspirationsquelle, während der Kollektionsentwicklung habe ich sehr viel Bikini Kill, Le Tigre, Babes in Toyland und The Julie Ruin gehört. Daher der Einfluss der Riot Grrrl Bewegung, umgesetzt in Aufnähern mit der Aufschrift „Slut“, „Girls to the front“ und zum Beispiel durch Buttons mit der Aufschrift „Riots not diets“. Aber auch Horrorpunks wie The Cramps haben mich inspiriert, daher kommen die Särge, Fledermäuse, Schleimschrift und Neonfarben zwischen drin. Ich komme selber aus der linken Szene, deswegen dürfen Bands wie die Buzzcocks und die Sex Pistols nicht fehlen, das spiegelt sich in den zum Teil handaufgenähten Aufnähern, Sicherheitsnadeln und kurzen Kunstfell Röcken wieder. Was mich zu den bunten Farben und der totalen Überladung von Aufnähern und Glitzer inspiriert hat, ist die Punkszene aus LA. Dort ist alles viel bunter, voller und aufregender. Liegt wohl an dem schönen Wetter. Und ja, Grunge ist natürlich auch dabei: Well, whatever, nevermind. Mir selbst fällt gerade auf, dass es ziemlich viele verschiedene Einflüsse sind.

Versteht ihr euch als feministisches Modelabel?
Ja.

Wie entstand die Kooperation mit Elfriedes?
Lilly Friedeberg aka Elfriedes kam als eine meiner ersten Kundinnen in den Laden. Wir haben uns auf Anhieb gut verstanden und waren auf einer Wellenlänge. Im letzten Sommer bin ich dann auf ihre Instagram Seite (@Elfriede_s) gestoßen und habe mir ihre Arbeiten angesehen. Sie ist Grafik Designerin und Illustratorin, und ich war hin und weg! Das war genau die Art von Kunst, die ich mir für die neue Kollektion vorgestellt hatte: punkig provokant, aber auch niedlich durch Kawaii-Einflüsse. Das hat perfekt gepasst. Also habe ich Lilly angeschrieben und sie hat auch sofort zugestimmt. Daraufhin kam sie ins Studio und wir haben an den Aufnähern und Buttons für die Kollektion rumgebastelt. Jetzt gerade arbeiten wir zusammen an dem nächsten Projekt.

Subkulturelle Looks innerhalb von Modekollektionen werden ja oft als Radical Chic bezeichnet. Wie steht ihr dazu?
Da ich mich selbst zu diesen Subkulturen zugehörig fühle und ich nicht denke, dass ich mich nur an ihnen bediene, würde ich meine Mode nicht als Radical Chic bezeichnen. Mein Ziel ist es nicht, auf großen Modeschauen präsent zu sein und „Mode“ zu machen, sondern die Subkultur zu leben, das zu tun was ich liebe in Verbindung mit Musik und Einflüssen zu denen ich stehe. Was andere Leute darin sehen, kann ich eh nicht beeinflussen, das soll jeder so sehen wie er will. Für mich gehören Musik und Mode zusammen und es muss ein ständiger Austausch stattfinden. Das eine kann ohne das andere nicht existieren, oder wenn dann nur halb so gut.

Models: Kelsey Rubenstein (whatevernbd), Gigi Lewis, Ava Pfauter