Von Tove Tovesson

Kommt eine bipolare Sexworkerin in eine Bar, fragt der Barkeeper: „Wie können wir eigentlich Machtstrukturen erkennen, benennen und angreifen, wenn wir keine nicht diskriminierende Sprache für die Benennung von Gewalt durch Privilegierte verwenden, die von genau diesen Diskriminierungen profitieren, während wir sie reproduzieren?“

§$%&/(%! @ Tine Fetz
§$%&/(%! @ Tine Fetz

I feel you, Barkeeper. Ich versuche gerade mir abzugewöhnen, Verhalten als „dumm“ oder „krank“ zu bezeichnen, weil dumm oder krank zu sein eigentlich nicht das Problem ist. Ich selbst bin dumm oder krank. Hat es euch je geschadet? Andere ringen vielleicht mit dem Verzicht auf für kritische Auseinandersetzung wichtige Begriffe wie F*tze, Schl*mpe, „Nazi“ als Präfix, um der Sache einfach etwas Bums zu geben, irgendwas mit gestört und irgendwas mit -ficker (no homo!). Ich bin hier um dabei zu helfen!

Zunächst mal habe ich nichts gegen explizites Fluchen. Dreck reinigt den Magen und bestimmt funktioniert das auch rückwärts und verbal. Ich würde sogar sagen, man darf sich gegen bigotte Menschenfeind*innen aller Art per Beschimpfung wehren. Zum Beispiel, wenn man keine Argumente hat, ha! Nein, diese Argumente gibt es ja, man muss sie aber nicht in jeder Situation jedem einzelnen Exemplar von – Obacht! – Arschloch, das seine frohe Kunde verbreitet, individuell vorbeten. Wenn ich aber versuche zu argumentieren und dabei zu dem Schluss komme, dass Rassist*innen einfach dumm oder gerne auch mal hässlich sind, ist das – Vorsicht – eine beschissene Analyse und auch keine gute Beschimpfung. Looking at you, deutsche Linke.

Ja, diese Bezeichnungen gehen leicht von der Zunge. Zur adäquaten Beschimpfung solcher Personen fehlt oft der Blick auf größere Strukturen: Es geht in ihrem Fall nicht um deviantes Verhalten, also eine gesellschaftlich nicht gebilligte individuelle Abweichung (gestört!), sondern im Gegenteil um schnöde Normalität, die Gewalt bedingt. Normalität als mächtige Festlegung benennt alle Unnormalen fein säuberlich und lässt währenddessen sich selbst sicherheitshalber unmarkiert. Deshalb darf sie überhaupt diese Festlegungen machen, weil sie plötzlich die einzig Neutrale in der Sache ist. Sie wird so selbstverständlich, dafür braucht es keinen Namen.

Anonymität aber ist ein Standardfeature des Bösen. Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich etc. Du-weißt-schon-wer. Er, dessen Name nicht genannt werden darf. Damit bloß keiner kommt und sagt, „Äh, Thomas, was machst du da eigentlich für einen kranken dummen Scheiß mit uns?! Komm mal klar, es geht hier nicht nur um dich!“ Das Nichtbenennen ist der erste Schritt zur Ohnmacht. Akzeptanz, dass schon alles so seine Ordnung und Richtigkeit haben wird. Das Benennen ist die Konfrontation und hoffentlich irgendwann der Bannfluch.

Eigentlich könnten wir wissen, dass es nicht überwiegend die Kranken, die Dummen, die hysterischen Feminazischl*mpen usw. sind, von denen Gewalt ausgeht. Wenn es wieder mal heißt, der Soundso wirkte eigentlich ganz normal, die Leute nebenan haben auch nix gemerkt, der hat immer gegrüßt, dann könnten die Alarmglocken ja mal umgeeicht werden. Die Frage, was mit dem nicht stimmte, muss oft beantwortet werden mit: Der war halt normal.