Von Leyla Yenirce

„Und dann plötzlich, ungeduldig ersehnt und doch unerwartet, sahen wir Land.“ Eine Stimme spricht aus dem Off über eine vergangene Zeit. Schwarz-Weiß-Bilder von Menschenmengen, die aus Zügen winken, vom hektischen Treiben in den türkischen Metropolen, vom Glitzern des Bosporus. Sie wechseln sich ab mit heutigen Aufnahmen aus Ankara und Istanbul, in denen die Nachfahren deutsch-jüdischer Einwander*innen vom Leben und Aufwachsen in der Türkei erzählen.

 © CORSO FILM
Kurt Heilbronn und Susan Ferenz-Schwartz wuchsen als Kinder deutsch-jüdischer Emigrant*innen in der Türkei auf. © CORSO FILM

Direkt nach der Machtergreifung durch die Nazis in den 1930ern verlor rund ein Drittel der Professor*innenschaft ihre Stellung an den deutschen Universitäten. Der damalige türkische Staatspräsident Kemal Atatürk lud daraufhin zahlreiche deutsch-jüdische Wissenschaftler*innen ein, in die Türkei auszuwandern, wo sie das neue Universitätssystem mit aufbauen sollten.

Der Dokumentarfilm „Haymatloz“ erzählt die Geschichte dieses kulturellen Erbes einer deutsch-jüdisch-türkischen Begegnung, die zunehmend in Vergessenheit zu geraten scheint. Regisseurin Eren Önsöz begleitet die Spurensuche der Nachkommen der Emigrant*innen, die ihre Kindheit und Jugend in der Türkei verbracht haben und u. a. jene Schauplätze in der Türkei aufsuchen, an denen die emigrierten Eltern wirkten.

„Haymatloz – Exil in der Türkei“ DE 2016
Regie: Eren Önsöz. Mit: Elisabeth Weber Belling, Susan Ferenz-Schwartz, Enver Tandogan Hirsch, Kurt Heilbronn, Engin Bagda u. a., 90 Min., Kinostart: 27.10.

„Haymatloz“ dokumentiert die Rückkehr in ein Exilland, das Heimat geworden ist und das durch das derzeitige Regime in seinem demokratischen System bedroht ist. Schriftstellerin und Politikerin Lale Akgün bezeichnet den Film zu Recht als „durch und durch politischen Dokumentarfilm“.