Von Hengameh Yaghoobifarah
Sind wir schon angekommen? Transidente Charaktere haben es schließlich mittlerweile in einige Mainstreamfilme und -serien geschafft. Doch die Narrative, die uns serviert werden, löschen viele Realitäten von Transpersonen aus und reproduzieren Stereotype, die vielen Communitys nicht gerecht werden. Sogar selbstorganisierte queere Festivals laufen die Gefahr, die Perspektiven aus der Dominanzgesellschaft zu spiegeln, beispielsweise indem sie Filme ins Programm nehmen, die von Verbänden und Communitys von transidenten Personen scharf kritisiert werden und wurden. Am kommenden Wochenende findet zum ersten Mal das Transformations Trans* Film Festival in Berlin statt und das Organisationsteam setzt sich den Anspruch, mit Stereotypen, Whitewashing und liberalen, kapitalistischen Perspektiven zu brechen.
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Wer organisiert das Transformations Trans* Film Festival?
TTFF: Die Orga-Gruppe besteht aus Schwarzen, Brown und of Color Personen, die sich als trans, two spirit und gender non-conforming verorten. Wir wollen gemeinsam eine Veränderung bewirken, indem wir einen nachhaltigen Raum für intersektionale Filme aus (nicht ausschließlich) Schwarzen, Brownen, of Color trans, Two Spirits, genderfluiden, gender-gifted und nicht-binären Personen schaffen. Jede*r von uns ist in weiteren Grasswurzelorganisationen und Community nahen Projekten eingebunden, die es sich zum Ziel machen, ermächtigende Räume zu kreieren und soziale Veränderung auszulösen.
Welcher Gedanke steckt hinter dem Festival?
Mit dem Festival wollen wir die Sichtbarkeit von Transpersonen und Gendervielfalt durch die Repräsentationen von Transkörpern und -narrativen auf der Leinwand fördern. Wir bieten einen einzigartigen kulturellen und künstlerischen Raum, der ein breites Publikum anspricht, sich selbst mit den eigenen Politiken und Geschichten einzubinden. Wir wünschen uns, lokal und weltweit massive kulturelle Impulse auszulösen. Zum einen, weil wir einen breit gedachten Zugang zu den Kämpfen, Perspektiven und Bedürfnissen von Transpersonen für die allgemeine Öffentlichkeit schaffen wollen. Zwischen dem Whitewashing von queerer, trans- und intergeschlechtlicher Geschichte in Mainstreammedien und Institutionen wollen wir auch die Hinterlassenschaft von Schwarzen Personen, indigenen Personen, Personen of Color, armen und arbeiter*innenklassenzugehörigen Personen, Menschen mit Behinderungen und Migrant*innen innerhalb von queerer, trans- und intergeschlechtlicher Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zelebrieren. Wir wollen die negativen Stereotype aus dem Mainstreamblickwinkel herausfordern.
Wie habt ihr das Programm kuratiert?
Zuerst haben wir einen öffentlichen Aufruf für Filme gestartet, sodass Mitglieder von Transcommunitys auf der ganzen Welt die Möglichkeit hatten, ihre Arbeit einzureichen. Daraus wählten wir starke Filme aus und achteten auf die Diversität der Stimmen. Wir erkannten auch, dass manche Themen oder bestimmte Geografien unterrepräsentiert waren. Wir kontaktierten deshalb betroffene Filmemacher*innen und ermutigten sie zum Einreichen. Das Programm wird unseren Ansprüchen noch nicht ganz gerecht, aber wir hoffen, dass das Festival ein Momentum ist und Ressourcen für die Zukunft schafft, sodass wir eine noch breitere Community erreichen können und ein tatsächlicher globaler Dialog zu den unterschiedlichen Erfahrungen von Gender stattfinden kann.
Was wird auf dem Festival stattfinden?
Neben dem dreitägigen Filmprogramm gibt es am Samstagabend eine Party und eine Performance-Nacht zum Gedenken des Trans Day of Remembrance am Sonntagabend sowie eine Kunstausstellung. An diesem Wochenende präsentieren wir nicht nur transidente Filmemacher*innen, sondern auch Künstler*innen, Performer*innen und Musiker*innen, sodass die vielen Talente in unseren Communitys sichtbarer werden.
logo_withswanTransformations Trans* Film Festival
18.–20. November
Werkstatt der Kulturen, Berlin
Info, Programm und Tickets gibt es hier.
Worauf freut ihr euch am meisten?
Wir freuen uns besonders auf unseren Eröffnungsfilm „Major“, eine schöne neue Dokumentation über eine wichtige, lebende geschichtliche Figur, Miss Major. Sie ist eine Schwarze Transfrau, die Teil der Stonewall Riots war und noch heute essenzielle Arbeit für Transpersonen und für die Abschaffung von Gefängnissen macht.
Ein weiterer Film ist „Cinema Fouad“ vom gefeierten libanesischen Filmemacher Mohammad Soueid. Der Film handelt von einer cleveren und stabilen transfemininen Figur, die über ihre Träume, ihr Begehren und ihren Weg von einer Soldatin zur Kabaretttänzerin erzählt. Er ist aus dem Jahr 1993, wurde aber erst vor Kurzem übersetzt und für ein englischsprachiges Publikum zugänglich gemacht. Wir freuen uns, die Deutschlandpremiere des Filmes zu präsentieren. 
Außerdem zeigen wir „Love Thing“, einen Film aus den 1970ern, und es ist uns wichtig, den mittlerweile mehr als 40 Jahre alten Diskurs anzuschauen und zu untersuchen, wie er damals angegangen wurde. Nur so können wir daran erinnern, dass Kämpfe für Geschlechteridentitäten schon seit Langem stattfinden, und wir können sehen, inwiefern die Gesellschaft sich verändert hat. Wir haben einige Kämpfe gewonnen, aber auch viele Ausdrucksfreiheiten verloren und die Gesellschaft ist in vieler Hinsicht auch restriktiver und konservativer geworden.
Wir freuen uns darauf, mit so vielen Menschen wie möglich Diskussionen zu führen. Es herrscht ein Mangel an Räumen für kollektive Diskussionen und wir hoffen, dass unser Programm viele Themen und Reflexionen aufbringt, die wir hier im Westen sonst nicht auf dem Schirm haben. Es ist uns wichtig, unsere eigenen Realitäten zu relativieren, damit wir sehen können, dass es sehr viele unterschiedliche gibt und dass die Bedürfnisse und Situationen rund um Genderthemen weltweit sehr vielschichtig sind. Bequemlichkeit führt dazu, unsere eigenen Wünsche vernünftig zu denken und wir müssen diese Wände auseinanderrücken, um den Bezug zur Welt nicht zu verlieren und nicht konservativ zu werden.