Von Indra Runge

Schrille Laute, kaum ein richtig getroffener Ton – und dennoch hält sich diese Frau für die beste Sängerin weit und breit. Erstaunlicherweise startet die selbst ernannte Operndiva Florence Foster Jenkins im New York der 1920er-Jahre trotzdem eine große Karriere – true story! Denn die Gesangsstimme, die sie in ihrem Kopf hört, ist wunderschön und so macht sie einfach ihr Ding: Jenkins tritt in Clubs auf, inszeniert aufwendige, skurille Tableaux vivants mit schillernder Kostümierung, Ausstattung und „Gesang“, gründet ihren eigenen Club, den Verdi-Club, bewegt sich in der High Society. Schnell ist sie camp, Kunst und Kult.

© Edition Salzgeber/Philipp BabenderErde
© Edition Salzgeber/Philipp Babendererde

Dass ihre Fans das schallende Gelächter des Publikums durch Applaus und Pfiffe zu übertönen versuchen, bemerkt Florence Foster Jenkins nicht – oder sie will es erst gar nicht wahrhaben. Gut für sie, denn so kann sie ihre Scheinwelt aufrechterhalten und ihr Aufstieg geht weiter. Höhepunkt und zugleich Ende dieser sagenhaften Laufbahn ist ihr Auftritt in der Carnegie Hall, die bis auf den letzten Platz ausverkauft ist. Zu diesem Zeitpunkt ist Jenkins bereits über siebzig Jahre alt.

Auch als Privatperson und Frau inszeniert sich Florence Foster Jenkins, setzt sich über traditionelle Geschlechterrollen und Konventionen hinweg. Sie ist berühmt für ihre exzentrischen Outfits. Außerdem legt sie den Namen ihres ersten Ehemanns Frank Thornton Jenkins nicht ab, obwohl sie ihn verlassen und er sie mit Syphilis angesteckt hat. Ihren zweiten „Ehemann“, den britischen Schauspieler St. Clair Bayfield, wird sie nie heiraten, Affären beiderseits machen die Runde – skandalös!

Gleich zwei aktuelle Filme widmen sich der schrägen Legende: Während die Hollywood-Produktion „Florence Foster Jenkins“ von Regisseur Stephen Frears mit Meryl Streep in der Hauptrolle und Hugh Grant als Bayfield aufwartet, befragt Ralf Plegers Dokumentarfilm „Die Florence Foster Jenkins Story“ Zeitzeug*innen und Expert*innen und kombiniert Archivmaterial mit nachgestellten Szenen. In die Rolle von Jenkins schlüpft übrigens Joyce DiDonato, selbst ein gefeierter Opernstar in den USA.

„Die Florence Foster Jenkins Story“ (DE 2016)
Regie: Ralf Pleger. Mit: Joyce DiDonato u. a., 93 Min., bereits im Kino

Wer Florence Foster Jenkins war, was sie antrieb und worauf die große Selbsttäuschung beruhte – diesen Fragen nähert sich die Dokumentation aus unterschiedlichen Perspektiven an und verschont uns beim Versuch, das Phänomen Florence Foster Jenkins zu ergründen, auch nicht vor Kostproben ihres zweifelhaften Talents. Ob Florence Foster Jenkins zu den Feministinnen der ersten Welle zählte oder lediglich eine eitle und exzentrische Salon-Diva war, davon kann man sich selbst im Kino ein Bild machen.