Von Olja Alvir

Mittlerweile ist es nur mehr Faszination und ein fast wissenschaftliches Interesse, das meine Hater bei mir auslösen. Als Frau, die in der Öffentlichkeit steht, ihre Meinung publiziert und auch noch streitbare beziehungsweise radikale Positionen vertritt, bin ich selbstverständlich Ziel unzähliger -istischer Attacken.

„Meine Meinung ist nämlich, dass dein menschenverachtender Dreck auf meinem Profil nichts verloren hat.“ © Tine Fetz

Im Laufe der Jahre probierte ich viele verschiedene Strategien aus, um den Hass im Netz zu bewältigen. Ich sammelte Screenshots, um darauf aufmerksam zu machen, was für entsetzliche Nachrichten Frauen im Internet bekommen. Ich tauschte mich mit anderen Betroffenen über die Härte, die Absurdität und die übertriebene Intensität der Hassnachrichten aus. Ich mied die Foren und Kommentarsektionen unter meinen Artikeln, da sie vor Attacken und Vorurteilen nur so trieften. Ich redete zurück – und wie ich das tat! Zunächst sanft und ironisch, unnahbar. „Entlarvend“ und „vielsagend“ schrieb ich über die Kommentare der Hater. Dann wurde ich direkter, härter, strenger. Zuletzt schimpfte ich nur mehr zurück (und erfand dabei mein Lieblingsschimpfwort „Kackkopf“). Wenn die sich nicht zurückhalten, warum sollte ich es dann tun? I tried it all.

Vor ein paar Monaten bin ich dazu übergegangen, Hassnachrichten so weit wie möglich auszublenden (auf Twitter beispielsweise kann eins die Notifications gut filtern) und das Management verschiedener Kanäle, über die sie kommen, outzusourcen. Ich habe keine Energie mehr für all diesen Scheiß und ehrlich gesagt weiß ich auch nicht, warum ich mich weiter diesem Hass aussetzen sollte. Ich und meine Social-Media-Hilfe löschen nun Hassnachrichten weitestgehend ungelesen. Auf meinem Facebook-Profil etwa wird sofort alles entfernt, was angriffig ist. Das ist mein Profil, ich bestimme, was da publiziert wird, und ich bin in keinster Weise dazu verpflichtet, irgendwelchen Hatern eine Plattform zu bieten. Nein, auch nicht im Sinne der „Meinungsfreiheit“. Meine Meinung ist nämlich, dass dein menschenverachtender Dreck auf meinem Profil nichts verloren hat.

Ich bekomme allerdings den Eindruck, dass die Nachrichten insgesamt weniger werden, seitdem ich überhaupt nicht mehr darauf reagiere. Wahrscheinlich ziehen die Angreifer einfach weiter, zu anderen Frauen, die mehr interagieren oder Reaktionen zeigen – auch nicht optimal. Doch ein paar hartnäckige, lästige Männer bleiben, sie beobachten alle Profile und lesen jedes Wort, das ich von mir gebe, und über Wochen und Monate schicken sie mir über verschiedenste Kanäle ihre immer strafrechtlich relevanter werdenden Beschimpfungen und Drohungen. Manche scheinen komplett durchzudrehen, wenn sie gar keine Aufmerksamkeit von ihrem Opfer bekommen; und ihre unbeantworteten Nachrichten, so ganz alleine für sich und für sie stehend, strahlen eine gewisse Tragikomik aus.

Ich käme ja nie auf die Idee, derart große Portionen meiner Lebenszeit, so viel Kraft und vor allem auch Nerven auf jemanden zu verschwenden, den oder die ich derart hasse. Und das hat mich zum Nachdenken gebracht: Ist euch schon mal aufgefallen, wie Männer fürs Attackieren bekannter Frauen immer belohnt werden? Wenn es Wirbel um bekannte Frauen gibt, steigen irgendwelche Typen auf den Harassment-Zug auf und profitieren von der resultierenden Bekanntheit. Das beste Beispiel ist wohl Milo Yiannopoulos, der zwar in einschlägigen Kreisen bereits berühmt/berüchtigt war, doch seinen Weltruhm erst durch Attacken gegen die „Ghostbusters“-Schauspielerin Leslie Jones erlangte. Er mag zwar von Twitter geschmissen worden sein und dies und das, aber in einer Mediengesellschaft ist Bekanntheit und Aufmerksamkeit, äh – bekanntlich – alles.

Das alles ist kein Zufall, sondern Strategie und Modus Operandi im Patriarchat. Das Bild, das Online-Hater armselige Gestalten seien, die „kein Leben haben“ – etwas, was ich selbst lange dachte –, stimmt so nicht. Nein, das ist einfach ihr Leben, integraler Bestandteil ihres Lebens. Es zahlt sich karriere- und bekanntheitstechnisch für sie aus; nicht zu schweigen vom sozialen Kapital, das im Patriarchat und in gewissen Kreisen durch aggressives Haten angesammelt wird.

Wie nun aus dem Kreislauf ausbrechen, ohne auf wichtige Gegenrede zu verzichten? Wie können wir diesem Verhalten entgegentreten, ohne Präsenzen und Karrieren zu fördern? Ich überlege schon länger, ob eine Art von „no-platforming“ hier vielleicht sinnvoll wäre – über das Phänomen zu sprechen, nicht über Einzelne (auch deshalb habe ich in diesem Text absichtlich auf Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum verzichtet). Mit den Hatern zu diskutieren ist erwiesenermaßen sinnlos und unterfüttert zudem meist nur ihr Narrativ.

Vielleicht lässt sich der Spieß sogar umdrehen? Ich muss ja zugeben, eine klitzekleine Genugtuung ist es schon, wenn derart viele Menschen tagein, tagaus über eine nachdenken. I live rent free inside your head. Auch wenn es ein Kackkopf ist – wie gesagt, Präsenz ist alles.